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31.07.2012 Innenstadt Hamburg: Bitte ein BID

Business Improvement Districts, kurz BIDs genannt, haben sich zu einem wirksamen Instrument der Steigerung innerstädtischer Attraktivität entwickelt. Als weitgehend freiwillige Eigenmaßnahmen ansässiger Immobilieneigentümer tragen die Public Private Partnerships erfolgreich zur Stärkung und Revitalisierung des öffentlichen Raums bei. Beteiligte verpflichten sich, in einem örtlich klar begrenzten Bereich für üblicherweise drei bis fünf Jahre gemeinsam Aufwertungsmaßnahmen des Standorts zu finanzieren. Anschließende Verlängerungen sind dabei nicht ausgeschlossen, sondern geradezu erwünscht. Während immer mehr Landesregierungen gezielte Anreize zur BID-Gründung setzen, gilt Hamburg als erfolgreicher Vorreiter der Entwicklung in Deutschland, darauf weist das auf innerstädtische 1A-Lagen spezialisierte Maklerhaus LÜHRMANN in seinen aktuellen CITYNEWS Hamburg hin.

Zwischen Alster und Elbe werden immer weitere Bereiche der Innenstadt durch BIDs geprägt. Begonnen hatte die Entwicklung 2006 mit dem Neuen Wall. Schon ein Jahr später folgte das BID Hohe Bleichen-Heuberg. Bis dahin waren die dortigen Einkaufslagen vornehmlich dem gehobenen kleinteiligen Einzelhandel vorbehalten, hatten jedoch in der Gesamtsicht eine sehr heterogene Mieterstruktur. Vor allem sorgte die den Bereich Große Bleichen prägende Passagenstruktur mit Großimmobilien wie dem Kaufmannshaus, dem Hanseviertel und der Galleria für eine Zerfaserung des Handelsangebots.

„Durch die gemeinsamen Initiativen hat sich der Gesamtauftritt erfolgreich gewandelt. Letztendlich wird nun die östliche Innenstadt stärker als homogener Shoppingbereich wahrgenommen“, sagt Arndt von Marenholtz, Geschäftsführer bei LÜHRMANN in Hamburg. Zu den konkreten BID-Maßnahmen zählen nicht nur Investitionen in die Aufwertung der gesamten Infrastruktur. Für Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit sorgen überdies private Unternehmen und es werden regelmäßig öffentliche Veranstaltungen und Werbeaktionen organisiert. „Im Zuge dessen veränderte sich auch der Mieterbesatz. Wurde der zwischen Bleichenbrücke und Stadthausbrücke gelegene südwestliche Teil des Neuen Walls noch vor fünf Jahren vorrangig von hochwertigen, aber nicht auf Laufkundschaft angewiesenen Designmöbelanbietern geprägt, so haben hier in jüngster Zeit auffällig viele zugkräftige und international renommierte Modelabels wie Bally, Burberry, Gant, Joop, Lacoste, St. Emile und Stefanel ihre Ladenlokale eröffnet“, so der Einzelhandelsimmobilienspezialist weiter.

Gleichzeitig entwickelte sich die Hohe Bleichen zur exklusivsten Luxuslage Hamburgs. Gerade dort war der Besatz früher wenig homogen, heute finden sich in diesem Bereich Seite an Seite die eindrucksvollen Flagships-Stores von Armani, Etro und Prada.

Anrdt von Marenholtz: „Derzeit gibt es im Hamburger Stadtgebiet insgesamt zehn laufende Business Improvement Districts, vier davon befinden sich in der Innenstadt, die weiteren in Stadtteillagen. Vorbereitet werden darüber hinaus sechs weitere Initiativen, davon zwei in der Innenstadt. So wird derzeit nicht nur die Dammtorstraße (BID Opernboulevard) neu gestaltet, vor allem die Maßnahmen des geplanten BIDs Nikolai-Quartier zwischen Handelskammer und Rödingsmarkt sowie des BIDs Mönckebergstraße, werden mit Spannung erwartet.“

Neue Mieter dank frischer Infrastruktur

Das zwischen dem Neuen Wall und den Hohen Bleichen gelegene Passagenviertel ist mittlerweile dem Beispiel der beiden benachbarten BIDs gefolgt. Derzeit laufen die Bauarbeiten zur Neugestaltung des Quartiers auf Hochtouren. Gleichzeitig wird das Kaufmannshaus für 30 Millionen Euro regelrecht umgekrempelt, bekommt neue Glasfassaden und eine neue Beleuchtung für die insgesamt 16 begehrten Ladenlokale. Direkt nebenan, am ehemaligen Standort des Ohnsorg-Theaters, entsteht ein komplett neuer Durchgang zum Bleichenfleet mit 2.500 Quadratmetern Einzelhandelsfläche, der sich optisch an der benachbarten Galleria orientiert. Die Eröffnung ist für Ende 2012 unter dem ursprünglichen Gebäude-Namen Kaisergalerie geplant. Zudem soll in Zukunft der gesamte fleetseitige Bereich vom Kaufmannshaus bis zur Alten Post durch eine breite Promenade verbunden werden.

Es war somit mehr Weitsicht als Zufall, dass das Joint Venture aus Alstria, Quantum und Stenham Property rund 75 Millionen Euro in die Neuentwicklung der um die Ecke gelegenen Alten Post investierte. Abercrombie & Fitch ließ sich ebenfalls nicht lange bitten und eröffnete im Frühjahr seinen zweiten deutschen Flagship-Store mit rund 2.000 Quadratmetern Verkaufsfläche. Neu sind hier zudem ein 250-Quadratmeter-Store des Lifestyle-Konzepts Neo aus dem Hause Adidas, sowie die 800 beziehungsweise 80 Quadratmeter großen Läden der Labels Tommy Hilfiger und Stuart Weitzmann, die für die Alte Post ihre bisherigen Ladenlokale in Hamburgs Innenstadt aufgaben.
Gleiches gilt für den Mobilfunker Vodafone, der im Frühjahr 2014 am nicht weit entfernten Jungfernstieg seinen größten deutschen Laden eröffnen will. Das Unternehmen mietete hierzu ein derzeit noch von Salamander genutztes 900 Quadratmeter-Ladenlokal direkt neben dem viel beachteten Apple-Store.

Weitere prominente Namen haben sich hier, im östlichen Bereich der Hamburger Innenstadt, niedergelassen. Anfang des Jahres eröffnete etwa das Schweizer Dessous-Label Aubade in der Poststraße 1-7 einen seiner ersten Stores in Deutschland. In dem 40-Quadratmeter- Laden befand sich bis dahin die Confiserie Paulsen, die daraufhin, nach über 80 Jahren in der Poststraße, ins Hanse-Viertel umzog. Gegenüber, in dem Eckhaus zum Neuen Wall, erweitert Cartier zurzeit seine Verkaufsfläche und übernimmt dazu das Ladenlokal von Bottega Veneta, die unlängst ihren neuen 260 Quadratmeter großen Shop am Neuen Wall 63 eröffneten. Kürzlich zog zudem Zadig & Voltaire mit seinem ersten deutschen Store an die Bleichenbrücke 1-7. Das französische Rock-Chic-Label präsentiert am ehemaligen G-Star-Standort auf 210 Quadratmetern seine hochwertigen Kollektionen.
Außerdem wechselt das Stuttgarter Bekleidungsunternehmen Uli Knecht die Straßenseite in einen rund 500 Quadratmeter großen Laden an den Großen Bleichen 34. Superdry ist unterdessen schon an den Gänsemarkt gezogen. Anfang April eröffnete das angesagte Label eine 250-Quadratmeter- Fläche in der dortigen Passage. Kurz zuvor hatte hier auch das amerikanische Lingerie-Label Baci auf 115 Quadratmetern seine Deutschlandpremiere gefeiert.

„Weitaus geringer ist indes der Mieterwechsel im westlichen Innenstadtbereich“, gibt der LÜHRMANN-Geschäftsführer zu bedenken. „Auf der Spitalerstraße und der Mönckebergstraße, immerhin zwei der bekanntesten und erfolgreichsten Einkaufslagen Deutschlands, halten die aktuellen Mieter nämlich weiterhin eisern an ihren Ladenlokalen fest, so dass kaum Neuvermietungen stattfinden. Ausnahmen machten lediglich das für seine Strumpfhosen bekannte österreichische Unternehmen Wolford, das an der Mönckebergstraße 10 das Ladenlokal von Swatch übernahm und damit einen zweiten Laden in der Hamburger Innenstadt eröffnete sowie Esprit und Budnikowsky, die mittlerweile in den neu entwickelten Teil des Karstadt Sport-Hauses, eingangs der Spitalerstraße, gezogen sind.“ Dementsprechend steigen die Mieten. Auf der Spitalerstraße kostet der Quadratmeter eines 80 bis 120 Quadratmeter großen Ladenlokals bei gutem Bauzustand und einzelhandelsgerechter Ausstattung mittlerweile bis zu 290 Euro im Monat. Während die Mönckebergstraße bei bis zu 270 Euro pro Quadratmeter liegt, werden auf dem Neuen Wall inzwischen Spitzenmieten von monatlich 245 Euro pro Quadratmeter gefordert. Im Durchschnitt aller 1A-Lagen in Hamburgs Innenstadt stieg die Spitzenmiete innerhalb von zwei Jahren um 8,5 Prozent.

Verkauft wurde zuletzt das Haus Hohe Bleichen 13. Direkt neben Giorgio Armani gelegen, befindet sich das Haus mit dem exklusive Designer-Store Petra Teufel nun in den Händen eines Konsortiums privater Investoren. Bislang kamen die Eigentümer aus Irland. Insgesamt ist der Investmentmarkt jedoch auffällig ruhig. Wie die Mieter der Spitalerstraße, halten auch die Immobilieneigentümer im gesamten Innenstadtbereich an ihren Objekten fest. Nur wenige sind gewillt zu verkaufen, so dass die Nettoanfangsrendite mittlerweile auf rekordverdächtige vier Prozent gesunken ist. Gleichzeitig ist die Bereitschaft überdurchschnittlich hoch, in den Bestand zu investieren, was die Einführung von BIDs natürlich erleichtert.

Von Kanada aus in die ganze Welt

Als im Jahr 1971 der weltweit erste BID im kanadischen Toronto entstand, hatte vermutlich keiner der Initiatoren die Gründung eines derart weitreichenden Werkzeugs der aktiven Stadtgestaltung im Sinn. Die Hausherren des Viertels Bloor West Village stellten lediglich einen Rückgang der Kundenfrequenz fest, einhergehend mit dem Verlust attraktiver Geschäfte und dem daraus resultierenden Leerstand. Sie suchten eine pragmatische Lösung ihrer Müllprobleme, wollten die vielen Graffitis loswerden und gleichzeitig die Kriminalität bekämpfen. Der Erfolg dieses ersten BIDs der Geschichte fand schnell Nachahmer, zunächst in Kanada, anschließend in den Vereinigten Staaten. Heute finden sich in über 800 Städten des nordamerikanischen Kontinents derart geförderte Wirtschaftszonen.

„Rund vierzig Jahre danach findet das Instrument BID auch in Deutschland immer mehr Anhänger“, freut sich Arndt von Marenholtz. „Allen voran in Hamburgs Innenstadt, deren Entwicklung in den letzten Jahren ohne die Initiativen sicherlich anders und vermutlich nicht ganz so erfolgreich verlaufen wäre. Interessant ist vor allem die Erkenntnis, dass die Eigentümer durchaus zum Schulterschluss bereit sind und sich an kostenintensiven Stadtentwicklungsmaßnahmen beteiligen – wenn es dadurch zu offensichtlichen Verbesserungen der Mikrolage kommt. Das ist ein Standortvorteil, nicht nur im Wettstreit der Einkaufslagen untereinander. Denn so schwer sich eine umfassende und einheitliche Innenstadtplanung in der Realität gestalten mag, Einkaufszentren etwa sind in ihrer ganzheitlichen Planungs- und Ausführungsstruktur den Innenstädten oftmals einen entscheidenden Schritt in der Organisation voraus.

„Dort, wo es notwendig und möglich ist, sollten die Gelegenheiten eines BIDs genutzt werden“, sagt von Marenholtz. Schließlich seien die Initiativen nicht nur gut für die Umsätze, es profitierten neben den Einzelhändlern auch die Eigentümer selbst durch steigende Immobilienwerte, die Kunden durch ein attraktives Angebot und eine erhöhte Aufenthaltsqualität sowie die Kommune durch eine Stärkung der gesamten Makrolage. Hamburg mache das seit Jahren erfolgreich vor, viele andere Städte sollten dem Beispiel folgen.


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