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10.04.2024 Berlin: ULI stellt Lösungen zur Vermeidung von Stranded Assets vor

Das Advisory Services* Panel (ASP) des Urban Land Institute (ULI) zu so genannten „Lösungen auf Stadtebene“ schlägt zur Ressourceneffizienz und Beschleunigung der Dekarbonisierung auf der Stadtebene am Beispiel Berlin vor, dass schnell Quartierskonzepte entwickelt werden sollten, bei der viele verschiedene Stakeholder vor Ort vernetzt werden. Das wird nur lokal im „Kiez“ gelingen können, weil durch diese Verzahnung Synergien erzeugt werden die wiederum zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit beitragen und die Grundlagen für eine Realisierung der Ziele gelegt werden.

Zudem sollte die Dekarbonisierung mit einem holistischen Ansatz verfolgt werden. Holistisch meint in diesem Fall, die Dekarbonisierung als Teil einer ganzheitlichen Transformationsstrategie zu definieren. Gleichzeitig wird so dem Risiko von „Stranded Assets“ entgegengewirkt. Denn wenn Objekte aus energetischer Sicht „stranden“ würden, hätte dies nicht nur negative Auswirkungen auf deren Eigentümer, sondern auch negative sozio-ökonomische Folgen für die Umgebung.

Sabine Georgi, Geschäftsführerin des ULI Deutschland/Österreich/Schweiz: „Die Ergebnisse unseres Beratungsprojekts das Ende Februar stadtfand, ist ein erster Schritt für eine Konzeption zur Transformation von Gebäuden unter Einbeziehung von Investitionen in den Freiraum und andere Infrastrukturelemente. Sie sollen als Blaupause dienen, wie es stadtweit gelingen kann, in Quartieren die Dekarbonisierung zu beschleunigen.“

Das Ziel des ULI-Programms Advisory Services ist generell, Fachwissen aus der Stadtentwicklung und der Projektentwicklung für komplexe Raumplanungs- und Entwicklungsprojekte zu nutzen und dabei eine Plattform zur Diskussion zu bieten. Seit 1947 hat dieses Programm mehr als 600 Teams, bestehend aus u.a. ULI-Mitgliedern, zusammengestellt, die kreative und praktische Lösungen für Themen erarbeiten.

Fragestellungen

Das ULI-Gremium war aufgefordert, folgende Lösungen zu finden und Kriterien zu berücksichtigen:

• Skalierbare Multi-Stakeholder-Lösungen
• Auf Ebene der Nachbarschaft: Wie schaffen wir Anreize, Quartierslösungen zu finden?
• Verbesserung der Wirtschaftlichkeit durch Einbeziehung von Profiteuren ganzheitlicher Quartiersstrategien
• Holistischer Ansatz mit Investitionen in z.B. in den Außenbereich (Grünzonen), Schaffung von positiven externen Faktoren und damit indirekte Erhöhung der Immobilienwerte
• Bildung von Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Akteuren
• Anwendung möglicher Lösungen auf zwei Berliner Kieze

Dabei hat sich das ASP an folgender These orientiert: Investitionen in die Nachbarschaft bzw. auf Quartierebene in die Gebäude („Retrofitting“) bei gleichzeitiger Investition in Energiesysteme (Heizung, Wasser), Grünanlagen sowie Infrastruktur führen zu multiplen positiven Ergebnissen. Die Folge ist nicht nur eine CO2-Reduzierung und eine bessere Umweltverträglichkeit, das Vorgehen induziert auch eine Zunahme an Arbeitsplätzen, ökonomische Vorteile, eine bessere Biodiversität und positive gesundheitliche Aspekte. Es zeigt sich, dass von der Dekarbonisierung viele positive Effekte ausgehen, die genutzt werden können, um die Wirtschaftlichkeit der Investition insgesamt zu verbessern.

Neben diesem theoretischen Grundstein ließ sich das Panel von dem Ansatz leiten, der die Realisierung von Stadtentwicklungsprojekten zum Ziel hat und davon ausgeht, dass durch die Erhöhung der Dichte und Mixed-Use-Konzepte erst die Möglichkeit geschaffen wird, Investitionen in die Infrastruktur zu ermöglichen, und so Wirtschaftlichkeit erreicht wird, um die gewünschte positive Wirkung des Projekts entfalten zu können. Das bedeutet, dass die Dekarbonisierung gleichzeitig mit einer Transformation des Bestandes insgesamt einhergehen muss. Dabei kann die Erhöhung der Dichte ein Schlüsselfaktor sein, um die Wirtschaftlichkeit sicherzustellen. Damit ist es möglich, schneller wirtschaftlich florierende Nachbarschaften zu etablieren. Die Innovation dieses Ansatzes besteht darin, dass viele Stakeholder von dem Wirkungsmechanismus profitieren.

Georgi führt aus: „Wenn ein gemeinschaftlicher Ansatz bei der Dekarbonisierung verfolgt wird, ist offensichtlich, dass nur dann auch Potenziale gehoben werden können, die bei einem Konzept, in dem jeder Gebäudeeigentümer einzeln agiert unbeachtet bleiben. Beispiele dafür sind Verkehrs- und Mobilitätskonzepte oder die Nutzung von Abwärme aus dem einen Gebäude für einen anderen Eigentümer. Ein gemeinschaftliches Vorgehen hilft also sowohl C02 zu reduzieren als auch den Wert der einzelnen Immobilie zu steigern.“

Um die Dekarbonisierung zu finanzieren, sollten nicht nur wie bisher die direkten Einsparungen monetarisiert und zur Refinanzierung herangezogen werden (bei Wohnungen ausgedrückt durch die Mieterhöhung), sondern es sollten auch Organisationen in die Refinanzierung integriert werden, die von der Dekarbonisierung profitieren. Dazu ein Beispiel: Ein Quartier ist derzeit verkehrstechnisch noch nicht perfekt angebunden. Ein Arbeitgeber vor Ort hat natürlich Interesse an einer guten Erreichbarkeit für seine Mitarbeitenden und könnte als großer Stakeholder gemeinsam mit anderen Beteiligten vor Ort in entsprechende Konzepte investieren. Die eingenommenen Mittel könnten neben der Einführung eines Mobilitätskonzeptes auch zu einer Erhöhung der Dichte (z.B. durch einen zusätzlichen Dachgeschossaufbau) verwendet werden, um die Wirtschaftlichkeit des Bestandes zu verbessern. Das Ziel ist demnach, eine Erweiterung der Perspektiven und das gezielte Suchen nach Stakeholdern, die durch die Dekarbonisierung gewinnen.

Anwendung der Ergebnisse auf Kurfürstendamm und ein „durchschnittliches“ Wohnquartier

Kurfürstendamm

Das ASP des ULI schlägt für den Kurfürstendamm vor, wieder den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, die Straße zu „inszenieren“ und zu einer Destination zu machen, d.h. neue Nutzungen hinzuzufügen und bessere Aufenthaltsqualitäten zu schaffen. Dabei können die bestehenden Strukturen, wie die AG City West und der BID, unterstützend wirken und helfen, die gemeinsamen Investitionen zu koordinieren. Neben dem Ziel der Erhöhung der Attraktivität könnte man beispielsweise mit dem BID gemeinsame Investments in die Dekarbonisierung des Quartiers tätigen, um eine nachhaltige und CO2-arme Nutzung zu ermöglichen.

Auch hier wird der holistische Ansatz angewendet. Ziel ist es, eine urbane und florierende Nachbarschaft zu erwirken, zugleich ein weiterhin ökonomisch erfolgreiches Viertel zu erhalten und es mit neuen sozialen Aspekten, wie Aufenthaltsflächen oder Bildungsangeboten, aufzuwerten.

Dabei sollte der öffentliche Sektor mit einbezogen werden, der private Sektor sollte jedoch als Taktgeber fungieren. Einfache, erste Lösungen stellen beispielsweise die Implementierung von Solarpaneelen auf Bushaltestellen, Kiosken oder Werbekästen dar. Das ULI empfiehlt außerdem die Integration des Themas Bildung auf dem Kurfürstendamm, da sich die TU in der Nähe befindet. So würden mehr Menschen den Kurfürstendamm beleben und wieder mehr Fluktuation stattfinden. Auch sollten die öffentlichen Plätze „bespielt“ und kuratiert werden, beispielsweise durch die Schaffung von attraktiven Begegnungsinseln. Der Vorrang für Fußgänger würde zu einer CO2-Verminderung beitragen, genauso wie Energie-Konzepte, die für Quartiere Lösungen bieten (gemeinsames Netz zur Nutzung der Abwärme, Tiefengeothermie etc.).

Zur Erarbeitung und Umsetzung dieser Konzepte ist das Einsetzen einer Taskforce und von Stakeholder-Foren, z.B. für Einzelhändler, Anwohner etc., hilfreich, so dass ein breites Engagement erzielt wird. Die Stakeholder könnten zu zusätzlichen Investitionen motiviert werden, in dem man die Werte, die nur gemeinsam erreicht werden können, darstellt und Wege zur Hebung aufzeigt (z.B. attraktive Außenflächen führen zu attraktiveren Angeboten für Einzelhändler). Ein Anreiz, neben diesen positiven externen Effekten, ist auch, dass Mieter wieder ein höheres Interesse an dem Standort haben. Dies kann aber nur gemeinsam gelingen, und die höhere Attraktivität der gesamten Umgebung wäre Anreiz genug, um die Attraktivität von gemeinsamen Investments zu erhöhen.

Wohnquartier

In einem Wohnquartier kann der gleiche Ansatz wie am Kurfürstendamm verfolgt werden, obwohl beide Beispiele augenscheinlich sehr unterschiedlich sind. Dabei steht die Idee im Vordergrund, wichtige Stakeholder vor Ort zu identifizieren, die die Entwicklung vorantreiben. Durch zusätzliche Investitionen, in z.B. Gemeinschaftsräume, kann der soziale Wert gesteigert und auch ein revolvierender Nachbarschaftsfonds eingesetzt werden. Zudem sollten auch hier Organisationen identifiziert werden, die von den zusätzlichen Investitionen profitieren und re-investieren würden. Darüber hinaus sollten Potenziale in der Nachbarschaft genutzt werden, so dass kleine Stakeholder von großen profitieren, wie beispielsweise durch gemeinsame Investitionen in Photovoltaik.

Für die Zusammenarbeit ist es wichtig, dass Lösungen und Erkenntnisse gebündelt werden. Es braucht folglich ein „Gefäss“ – analog zum BID – einen so genannten „Neigbourhood Improvement District“ und Teams, die den einzelnen Eigentümern Angebote machen und helfen, die Akzeptanz des gemeinsamen Investierens zu ermöglichen. Es sollte dazu ein physischer Ort für den Austausch der Stakeholder und Nachbarn gefunden werden. Hier kann auf die Erfahrung der Stadt Wien zurückgegriffen werden, bei dem in jedem der 12 Bezirke ein Team von der Stadt finanziert wird, das kompetent Lösungen für die einzelnen Quartiere erarbeitet und hier sowohl niedrigschwellige Angebote vorhält als auch ein blockweises Vorgehen ermöglicht.

Eine Strategie, um auch ein Viertel beispielsweise aus den 1970-er Jahren unter der Einbeziehung der Nachbarschaft zu einem lebendigen und wirtschaftlich attraktiven Quartier zu machen, würde demnach folgende Aspekte umfassen:

• Aktivierung der Erdgeschosse (Mixed-Use / Soziale Nutzungen)
• Aktivierung des öffentlichen Raums
• Unterstützung der Kleinstunternehmen
• Vernetzung der Eigentümer im Viertel
• Verdichtung / Erhöhung der Geschossigkeit für alle Stakeholder
• Einführung neuer Formen des Sharings: Mobility Hub (Co-Living, Co-Working)
• Ermöglichen von Nachbarschaftsbeteiligungen an erneuerbaren Energien

Das Geschäftsmodell für das ´Retrofitting´ eines Wohnquartiers, wird im Wesentlichen durch den Gedanken geleitet, dass ein Denken außerhalb der eigenen Grundstücksgrenzen erfolgt, insbesondere Einzeleigentümer könnten hier mit einbezogen werden, indem z.B. Netzlösungen geschaffen werden oder in gemeinsame Außenflächen investiert wird.

„An allen Beispielen sehen wird, dass uns die Dekarbonisierung und auch das Vermeiden von ´Stranded Assets´ nur durch Quartierslösungen gelingen wird. Gemeinsam ein Ziel zu verfolgen, bedeutet demnach sowohl Erhalt als auch Steigerung von Immobilienwerten für jeden einzelnen“, so Georgi abschließend.























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