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19.07.2023 KI-Regulierung: Mehr Risiken als Chancen für die Immobilienbranche

Heike Gündling, Fotocredit: 21st Real Estate GmbH
Die EU zieht nach im globalen Lauf zur Regulierung von Technologien auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI). Das Europaparlament hat dem Entwurf der Kommission nun zugestimmt. Noch in diesem Jahr sollen die Beratungen zwischen Rat, Kommission und Parlament in die Form einer verpflichtenden EU-Richtlinie gegossen werden. KI in Europa unterläge dann einer der schärfsten Regulierungen weltweit – gerade auch mit Folgen für die datengetriebene Immobilienwirtschaft. So wären z.B. gerade die für Bestandshalter und Fonds wichtigen Mieterdaten in vielen Fällen unzugänglich.

Bereits seit über drei Jahren diskutiert die EU über gesetzliche Vorgaben für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Als die Kommission im Februar 2020 den ersten Referentenentwurf zur Klassifizierung von KI-Risikopotentialen vorlegte, waren breit zugängliche KI-Tools wie ChatGPT oder die Bildsoftware Dall-E außerhalb von Expertenkreisen noch gänzlich unbekannt. Doch seitdem der US-amerikanische Anbieter OpenAI die freie Zugänglichkeit seiner KI-Produkte lanciert hat, nimmt die Regulierungsdiskussion Fahrt auf. Italien hat den KI-Chatbot ChatGPT nach einem Verbot Ende März 2023, das mit einem Verstoß gegen Jugend- und Datenschutzregeln begründet wurde, mittlerweile wieder erlaubt. Die Diskussion um manipulative Bilder (Deep Fakes) und die massenhafte Datenauswertung ohne explizite Zustimmung geht jedoch – berechtigterweise – weiter.

Die EU ist gleichwohl nicht der erste Staatenraum, der eine KI-Regulierung in Gesetzesform vorsieht. Brasilien hat im Dezember 2022 einen Entwurf vorgelegt, der dem Brüsseler Maßnahmenpaket durchaus ähnlich ist. China war mit einer Strategie im Jahr 2017 bezeichnenderweise eine der ersten Nationen, die die Initiative in diesem Feld ergriff. Zwar ist die chinesische KI-Praxis aus europäischer Sicht höchst fragwürdig, doch es gibt klare staatliche Vorgaben zur Vermeidung von Deep Fakes und gegen den Missbrauch von Empfehlungsalgorithmen. Hingegen beruhen die KI-Strategien in Japan, Indien und den USA auf allgemeinen Empfehlungen, die idealerweise in eine Selbstverpflichtung der KI-Anbieter münden.

Wachstumshemmnis für die Immobilienwirtschaft?

KI befindet sich mit Bezug auf die Immobilienwirtschaft noch in der Experimentierphase. Betrachtet man die bisherigen Veröffentlichungen zum Thema, dominieren immer noch theoretische Beschreibungen über mögliche Anwendungsfelder. Das ist nicht verwunderlich: Denn erst wo eine Datenstrategie mit einer eindeutig festgelegten Datenstruktur vorliegt, kann KI ihr volles Potenzial entfalten. Eine der nachgefragtesten KI-Technologien, Prozessautomatisierung durch Robotik (RPA), findet man beispielsweise weiterhin unter dem Schlagwort „Potential“, wie die jüngste ZIA-Digitalisierungsstudie illustriert. Weltweit nutzen bereits rund 40 Prozent aller Unternehmen RPA-Technologien, wie McKinsey 2022 ermittelte.

Andere bedeutsame KI-Anwendungsfelder für die Immobilienbranche sind neben dem Dokumentenmanagement mit Texterkennung, Predictive Maintenance, also die KI-gestützte Wartung von Gebäudetechnik, die Standortanalyse oder die Objektbewertung.
Bei den erwähnten Einsatzgebieten wird deutlich: Die Ermittlung von zugänglichen Standortdaten oder Gerätedaten stellt für die KI-Regulierung kein Problem dar. Entsprechend lägen die meisten KI-Anwendungen in der Immobilienbranche auf der Risikostufe 4 (niedrigste Kategorie) des EU-Entwurfs: Sie wären somit jederzeit ohne Einschränkungen erlaubt.

Mögliche Problematik: Mieterdaten

Die anderen Risikostufen in der geplanten europäischen KI-Regulierung werden in der Immobilienpraxis voraussichtlich weniger Relevanz haben, sind gleichwohl aber nicht gänzlich auszuschließen. Risikostufe 1 (unannehmbares Risiko) verbietet den KI-Einsatz für die Sammlung biometrischer Informationen auf öffentlichen Plätzen und die Verhaltensmanipulationen vulnerabler Personengruppen. Die ständige Leistungsüberwachung von Mitarbeitern durch KI fiele in diese Kategorie, wäre aber auch ohne Regulierung zu verurteilen. Risikostufe 3 bezieht sich u.a. auf den Einsatz von Chatbots, die klar als solche gekennzeichnet werden müssen. Generell soll die massenhafte Datenauswertung durch KI zukünftig transparent gemacht werden, was auch Sensordaten aus Immobilien miteinschließt. Diese Regelung sollte die meisten Unternehmen nicht vor gravierende Probleme stellen, wenngleich zusätzliche Maßnahmen erforderlich werden.

Risikostufe 2 (Hochrisiko-Systeme) betrifft sensible personenbezogene Informationen wie Gesundheits- oder Personaldaten. Sie sind nicht grundsätzlich verboten, benötigen jedoch die explizite Zustimmung der betreffenden Personen. In diesem Fall ist eine Kollision zwischen Vermieter- und Mieterinteressen in Bezug auf Konsumdaten denkbar. Denn die eingebaute Sensorik in den Immobilien soll dazu führen, dass Verbrauchsdaten von Wasser, Heizung und Strom transparent werden, detaillierte Investorenreportings möglich sind und so eine Optimierung der Energieverbräuche stattfinden kann. Ein unverantwortliches Konsumverhalten einzelner Mieter kann hierbei sogar die CO2-Bilanz des Vermieters gefährden. Dem Wortlaut des aktuellen Regulierungsentwurfs gemäß kann die für den Asset Manager daher so dringende Erhebung und Auswertung dieser Verbrauchsdaten aber problematisch sein.

Europäischem KI-Sektor droht Wettbewerbsnachteil

So wünschenswert - und aus europäischer Rechtstradition auch folgerichtig - eine Regulierung von KI-Technologie ist, so nachteilig kann sie sich auf den globalen Wettbewerb auswirken. Insbesondere kleinere Unternehmen werden durch die zusätzlich notwendigen Ressourcen proportional unter einen stärkeren Kostendruck geraten. Die Tech-Giganten, die sich auf dieses Rechtsumfeld schneller einstellen können, sind jedoch bekanntermaßen nicht in Europa ansässig. Dies geht auch aus dem regelmäßig von der Stanford University veröffentlichten AI Index Report hervor, der für 2022 ein Volumen von privaten Investments in KI-Entwicklungen von 47 Milliarden US-Dollar (USD) in den USA, 13 Milliarden USD in China, aber nur zwei Milliarden USD für Deutschland und 1,7 Milliarden USD in Frankreich ausweist. Andere europäische Länder erreichen kaum die halbe Milliarde. So könnte die angestrebte Regulierung einer der wichtigsten Zukunftstechnologien gleichzeitig wieder einen weiteren „Rangrücktritt“ der europäischen Wirtschaft im globalen Vergleich bedeuten.

(Von Heike Gündling, CEO 21st Real Estate GmbH)














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