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30.06.2023 Geplantes Heizungsgesetz schafft neue Abhängigkeiten

Die Ampel-Koalition hat sich nach monatelangem Streit jetzt auf Details des neuen Heizungsgesetzes geeinigt, das nun noch vor der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden und damit voraussichtlich zum 1.1.2024 in Kraft treten soll. Nach Analysen von Aengevelt Research sieht der modifizierte Entwurf zwar Entschärfungen gegenüber früheren Referentenentwürfen vor, indessen besteht die Gefahr neuer Abhängigkeiten, insbesondere von den Gas- und Fernwärmeversorgern.

Der erste Referentenentwurf für ein Gebäudeenergiegesetz (GEG) – umgangssprachlich „Heizungsgesetz“ – aus dem Wirtschafts- und Umweltministerium erntete massive Kritik, insbesondere weil Gebäudeeigentümern unzumutbare und unverhältnismäßige Pflichten zur Umrüstung auf Wärmepumpen auferlegt werden sollten. Nach langwierigen Verhandlungen hat sich die Regierungskoalition auf verschiedene Entschärfungen geeinigt. Im Zentrum steht dabei, dass für die Erreichung der Klimaschutzziele Technologieoffenheit gelten soll. Damit Gebäudeeigentümer die notwendigen Informationen über alle Optionen für klimafreundliche Heizungsanlagen erhalten, werden die Kommunen verpflichtet, bis spätestens 2028 kommunale Wärmekonzepte zu erarbeiten, die u.a. festlegen, wann und wie Fernwärmenetze ausgebaut werden und ab wann und in welchem Umfang klimaneutrale („grüne“) Gase wie Biogas oder aus erneuerbaren Energien hergestellter Wasserstoff der Gasversorgung beigemischt werden.

Die mehrjährige Frist, bis 2028 einen kommunalen Wärmeplan vorlegen zu müssen, suggeriert Gebäudeeigentümern zunächst eine Atempause. Tatsächlich kann es schneller gehen als gedacht: So soll z.B. in Leipzig der kommunale Wärmeplan bereits Ende 2023 dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden.

Fernwärme als alternative Lösung?

Auf der anderen Seite bietet das Gesetzt Gebäudeeigentümern Wahlmöglichkeiten, wie sie ihre Heizungen in Zukunft betreiben wollen, falls diese ausgetauscht werden müssen. In vielen Fällen wird sich dabei als Alternative zu einer Wärmepumpe, die sich insbesondere für Altbauten kaum eignet und weitere Folgeinvestitionen wie Dämmung, Einbau von Fußbodenheizungen und Installation von Photovoltaikanlagen zur Stromversorgung nach sich zieht, der Anschluss an die Fernwärme anbieten.

Aengevelt Research weist jedoch darauf hin, dass dadurch neue Abhängigkeiten entstehen können. Zum einen verlangen Fernwärmeanbieter z.T. sehr hohe Kosten bis in den sechsstelligen Euro-Bereich für den Anschluss eines Gebäudes an das Fernwärmenetz. Zum anderen sind Eigentümer aufgrund in der Regel langfristiger Vertragsbindungen den Fernwärmeversorgern “ausgeliefert“, da diese ihnen die Preise diktieren können.

Dazu Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter Aengevelt Immobilien: „Wer mit Erdgas heizt, kann zu einem günstigeren Versorger wechseln. Wer mit Öl heizt, kann ebenfalls den günstigsten Lieferanten und den preisoptimalen Zeitpunkt zur Befüllung des Tanks wählen. Wer indessen Fernwärme bezieht, muss alternativlos die Preise akzeptieren, die der Versorger festlegt. Und ein Ausstieg aus der Fernwärmeversorgung ist meist rechtlich und technisch nicht bzw. nur unter sehr schwierigen Bedingungen zum Nachteil der Gebäudeeigentümer möglich.“

Zwar müssen Preisanpassungen entsprechend der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme an Indikatoren geknüpft werden. In der Realität haben zahlreiche Energieversorger ihre Preise für Fernwärme erhöht, als die Weltmarktpreise für Erdgas und Öl nach der Einstellung der russischen Gaslieferungen vorübergehend angestiegen waren, indessen (meist mit Hinweis auf langfristige Lieferverträge) keine Preissenkungen gewährt, als die Weltmarktpreise wieder sanken. So ist der Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamts von Dezember 2021 bis Mai 2023 um 68 Prozent gestiegen, während das Preisniveau für Heizöl im gleichen Zeitraum – nach einem zwischenzeitlichen Anstieg – nur um 6,7 Prozent anzog. Während Öl- und Gaspreise sinken, steigt der Fernwärmepreis weiter. Dementsprechend sind die Gewinne der Energieversorger im Fernwärme-Segment regelrecht explodiert. Verbraucherschützer haben bereits Musterfeststellungsklagen gegen die z.T. massiven Preiserhöhungen für Fernwärme eingereicht.

Wulff Aengevelt: „Wenn das neue Heizungsgesetz der Fernwärme einen derart hohen Stellenwert einräumt, muss auch sichergestellt werden, dass das Preisniveau für Fernwärmetransparent und fair festgelegt wird. Dafür reicht das bisherige Indikatorensystem nicht aus, weil es rein profitorientierten Fernwärmeversorgern und Energielieferanten verbraucherunfreundlich zu viel Spielraum bei der Preisgestaltung lässt.“

Risiken der Anreicherung mit „grünen“ Gasen

Aengevelt Research sieht zudem auch Risiken bei der geplanten Anreicherung von Erdgas durch „grüne“ Gase: Dies ist notwendig für den Einbau neuer Gasheizungen, denn sie werden zukünftig nur zulässig sein, wenn sie zu 65 Prozent lokal mit Biomasse oder Wasserstoff betrieben werden.

Solche Gasbeimischungen müssen aus technischen Gründen für das gesamte Gasnetz erfolgen. Allerdings “vertragen“ ältere Heizungsanlagen überhaupt keine Wasserstoffbeimischung. Und auch bei vielen moderneren Heizungen, die das Siegel „H2 ready“ tragen, darf der Anteil 20 Prozent nicht überschreiten. Eine höhere Wasserstoffbeimischung kann somit dazu führen, dass Erdgasheizungen im Bestand nicht mehr betrieben werden können.

Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage, ob eine solche Gasbeimischung überhaupt rechtlich zulässig ist oder es sich möglicherweise um eine (indirekte) Nötigung oder Gängelung zum Einbau einer neuen Heizung handelt.

„Stromfresser“ Wärmepumpe

Wenn weder Fernwärme noch „grünes“ Gas zur Verfügung stehen, muss zumeist doch auf eine Wärmepumpenheizung umgestellt werden. Pelletheizungen scheiden u.a. in Altbauten wegen oft gegebener Kellerfeuchte aus.


Ob das indessen dem Klimaschutz wirklich hilft, ist nach Ansicht von Aengevelt Research ebenfalls strittig: Wenn z.B. zehn Millionen zusätzliche Wärmepumpen in Wohngebäuden installiert werden, steigt der Gesamtstrombedarf in Deutschland um 88 Terawattstunden, das sind 16 Prozent mehr als aktuell. Und da der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nicht schnell genug voranschreitet, müssten nach Expertenberechnungen 100 bis 120 neue Erdgaskraftwerke gebaut werden. Dies wiederum wäre kontraproduktiv zu den Zielen der Energiewende.

Fazit

Wulff Aengevelt warnt und formuliert die aktuelle Lage: „Der Gesetzentwurf ist immer noch keine Lösung, ihn jetzt im Hauruckverfahren gegen umfassende Expertenwarnungen und -widerstände dennoch durchzudrücken, ist gewiss kein Beitrag, verlorengegangenes wertvolles Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen.“












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