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09.05.2023 Büro Belegungsrate: Reale Daten. Einblicke von Montag bis Freitag

Die Immobilienwirtschaft diskutiert intensiv, in welchem Umfang Büroimmobilien ausgelastet sind. Hierzu gibt es viele, sich oft widersprechende Statements aus Unternehmen und Wissenschaft. Es ist also an der Zeit, die Vielfalt der Hypothesen zu objektivieren – anhand von realen Zahlen. Thomas Glatte, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Fresenius und als CNG-Vorstandsmitglied für Aus- & Weiterbildung zuständig, hatte daher für den MasterTalk Real Estate #28: „Office occupancy based on factual data“ zwei ausgewiesene Praxisexperten eingeladen:

• Dr. Eldar Gizzatov, CEO und Gründer von Basking, der seinen innovativen Ansatz erläuterte, wie die Nutzung der Büros direkt gemessen werden kann.

• Tim Schmitt von Mann+Hummel konnte als Kunde und Nutzer von Basking schildern, wie diese außergewöhnliche Technologie angewandt wird und welche Erfahrungen sein Unternehmen damit gemacht hat.

„Die Belegungsrate von Büros ist eines der heiß diskutierten Themen der Branche“, leitet Glatte den Mastertalk ein. Seit dem Ausbruch von Corona – geprägt durch eine massive Zunahme von Heimarbeit – ist bei der Büronutzung kein Stein mehr auf dem anderen geblieben. Zwar müssten nun viele Mitarbeiter wieder zurück in die Büros, doch beliebt bleibt vor allem die Arbeit von zuhause aus.

„Zur tatsächlichen Belegungsrate gibt es also eher ein Bauchgefühl. Wir aber wollen diese Wahrnehmung in Zahlen umwandeln.“ Mit diesen Worten übergab Glatte den Staffelstab an Eldar Gizzatov, der mit seinem Berliner Startup Basking ein Tool entwickelt hat, mit denen Nutzer und Vermieter die Beanspruchung ihrer Flächen messen können. Jeweils 40 Prozent seiner Kunden – und damit der untersuchten Gebäude – befänden sich in Europa und den USA. Die restlichen 20 Prozent verteilen sich auf Lateinamerika und Asien.

Sein Produkt: Eine webbasierte App, mittels der Unternehmen in Echtzeit die Auslastung ihrer Büros erfassen und über Grafiken und Berichte auswerten können. Hierfür werden Sensoren in der Immobilie verteilt – inklusive Konferenzräumen und bei Videokonferenzsystemen –, die über Wifi die Daten einsammeln. Deshalb lasse sich das System auch rasch installieren. „Kosteneffizient und“ – beim Thema „Daten“ macht es besonders in Deutschland automatisch Klick – „datenschutzkonform“, wie Gizzatov betont. Genau aus diesem Grund sei der Radius eines Sensors auch großflächig ausgelegt. So könne man aufgrund der Nutzung über das Wifi-Gerät schon rein technisch gar nicht einzelne Schreibtische erkennen, sondern nur die generellen Daten für den entsprechenden Bürobereich und die Anzahl der Person“, so Gizzatov.

Das Tool spielt verschiedene Szenarien durch

Der Status könne dann in Echtzeit abgerufen werden – was vor allem Immobilienprofis Einblicke in das gesamte Portfolio oder bestimmte Standorte ermöglicht. In einem Report erhalten sie ausführliche Auswertungen, auch aufgeschlüsselt auf verschiedene Anwendungsszenarien. Daraufhin lassen sich nicht nur die einzelnen Büros aus Mieter-/ Nutzersicht optimieren. Vielmehr können Facility Manager und Vermieter die Möglichkeiten und Verbesserungspotenziale für die Immobilie und die Infrastruktur ausloten. Schließlich bestehe auch die Möglichkeit von „Third Party Applications”. Einmal erfasst, kann der Datensatz für verschiedene Einsatzgebiete verwendet werden, darunter Raumplanung, Coronamanagement, Portfolio Management, Nachfrageprognose oder Facility Management.

Soweit zum technischen Part und die Vorteile für die Verantwortlichen vor Ort. Doch der Charme von Gizzatovs Produkt besteht darin, einen Überblick über Kunden weltweit zu haben und somit auf Länderebene und im internationalen Vergleich die Entwicklung der Belegungsraten zu verfolgen – spannend besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über verstärkte Heimarbeit, Bürosterben und gleichzeitige Rückkehr ins Büro, das wiederum eine bessere Aufenthalts- und Kommunikationsqualität bieten muss. Welche Belegungstrends sehen wir also global und in Europa, besonders in Deutschland? Hierzu hat Basking anhand von 121 Kundenstandorten weltweit einen Benchmarking-Index erstellt.

41 Prozent Belegungsrate in Europa

Die Höchstbelegung im Wochendurchschnitt des laufenden Jahres erreichte dabei gerade einmal einen Höchstwert von 41 Prozent in Europa, was genau auch dem Wert Westeuropas entspricht. Südeuropa stach dabei mit 47 Prozent heraus, Skandinavien hatte mit 27 Prozent den niedrigsten regionalen Wert. Schaut man sich einzelnen Länder an, so lag die Belegungsrate in Deutschland sogar nur bei 25 Prozent.

Frankreich erzielte 41 Prozent, während die USA mit 35 Prozent dazwischenlagen. Der Grund dürfte in der wesentlich häufiger praktizierten Heimarbeit in Deutschland liegen.
Wie oft kamen die deutschen Mitarbeiter nun ins Büro? 43 Prozent nur einmal pro Woche, 45 Prozent zwei bis drei Tage und lediglich 11 Prozent vier bis fünf Tage (Rundungsdifferenzen). Frankreich kam exakt auf dieselben Werte, während in den USA mit 26 Prozent mehr als doppelt so viele Personen vier bis fünf Tage ins Büro erschienen – ein Beleg dafür, dass Heim- oder mobile Arbeit dort deutlich weniger stattfindet.

Frankreich: mittwochs ist kaum jemand im Büro

Die Deutschen kommen zwar immer seltener ins Büro. Wenn sie es aber tun, dann richtig. Mastertalk-Co-Moderator Sven Wingerter hat hierfür bereits 2020 das Bild des „Lagerfeuers“ etabliert. 77 Prozent aller Bürobesuche dauern hierzulande daher mehr als sechs Stunden an, in Frankreich und den USA sind es nur 64 und 61 Prozent. Entsprechend selten fallen mit 7 Prozent Besuche aus, die nur maximal drei Stunden erreichten.

Interessant ist auch die Betrachtung der einzelnen Wochentage. Die meisten Bürobesuche entfallen mit 24, 26 und 22 Prozent auf Di-Mi-Do. Der Montag kommt nur auf 17 Prozent, während wenig überraschend der Freitag lediglich 10 Prozent aller wöchentlichen Bürotermine verzeichnet. Die USA bieten ein ähnliches Bild. Frankreich zeigt hier eine Besonderheit: So kommt es dort mittwochs nur zu 17 Prozent aller Bürobesuche, was die Zahl am Dienstag und Mittwoch mit 31 und 19 Prozent entsprechend nach oben treibt. Der Grund dafür dürfte in der Tatsache zu suchen sein, dass für die meisten Schulkinder in Frankreich der Mittwoch schulfrei ist oder je nach Alter nur in geringem Maße Unterricht stattfindet – sodass die berufstätigen Eltern mittwochs eher zuhause bleiben.

Praxisbeispiel Singapur: kleineres Büro – mehr Mitarbeiter

Als Anwender der Basking-Technologie berichtete Tim Schmitt, Global Workplace Experience Manager bei Mann+Hummel, von den Erfahrungen am Standort Singapur. Das Unternehmen ist Hersteller von Flüssigkeits- und Luftfiltersystemen, Ansaugsystemen und Innenraumfiltern und hat in Singapur 2021 bis 2022 zwei verschiedene Bürostandorte mit insgesamt drei Abteilungen in ein neues Büro zusammengelegt. Das moderne Officekonzept – das stark auf den Lagerfeuereffekt setzt – baut ebenfalls auf dem Trend von weniger Büropräsenz, ausgelöst durch die Pandemie. So ist das aktuelle Büro wesentlich kleiner als die beiden Vorherigen zusammen, deckt dabei indes eine inzwischen größere Belegschaft ab – die aber nicht immer vor Ort ist.

Aus HR-Sicht mussten damit gleich drei Aufgaben gelöst werden: Standorte und Abteilungen konsolidieren, neue Mitarbeiter einstellen und Bürofläche reduzieren. Alles stand unter dem Motto: „Bringing together our different Businessunits as OneTeam with OneGoal and OneVoice in OnePlace.“ Dabei wurde die Singapurer Belegschaft nicht nur an einem Ort als ein Team versammelt. „Vielmehr haben wir ihnen auch die Möglichkeit gegeben, in agilen und flexiblen Arbeitsumgebungen gemeinsam tätig zu sein. Das Büro als ‚City Center‘, um zusammenzuarbeiten“, erläuterte Schmitt.
Die bisherigen Ergebnisse zur Belegung hierzu schilderte er anschaulich:

• Durchschnittliche Bürobesuchszeit 9 Stunden
• 45 Prozent der Mitarbeiter kommen nur an einem Wochentag, knapp 30 Prozent an zwei Tagen
• Die durchschnittliche Büropräsenz beträgt 2-mal pro Woche
• Die beliebtesten Wochentage sind Montag bis Mittwoch, während auf den Donnerstag nur rund 17 und den Freitag 10 Prozent der Besuche entfallen
• Alles in allem wurde die Flächenausnutzung um 30 Prozent verbessert.

Dabei hat das Unternehmen dank Basking festgestellt, dass sich die Bereiche der Abteilungen, die Homezones, überlappen. Das heißt: Wie erhofft, wird mehr zusammengearbeitet. Gleichzeitig ist die Fläche immer noch nicht am Limit: „Wir haben nach wie vor Flächenkapazitäten“, so Schmitt. Dabei können wir in Singapur andere, genauere Möglichkeiten des Trackings nutzen. „Denn wir haben dort keinen Betriebsrat“, spielt Schmitt auf das in Deutschland omnipräsente Thema Datenschutz an. Hier hakte sogleich Moderator Glatte ein.

Die Daten gehören dem Kunden

"Datenschutz ist entscheidend. Da Basking seinen Sitz in Deutschland hat, wurde es von Anfang an im Sinne der DGSVO-Bestimmungen konzipiert. Alle Daten werden anonymisiert und verschlüsselt. Darüber hinaus bietet die Verwendung von WiFi als Datenquelle ein zusätzliches Maß an Schutz, da die Genauigkeit des Standortes nicht präzise genug ist, um Aussagen auf Schreibtischebene machen zu können", erklärt Gizzatov. In der Tat haben wir viel Erfolg mit multinationalen Kunden, gerade weil Basking seinen Hauptsitz in Berlin hat und den DGSVO-Datenschutzrahmen im Produkt durchsetzt", sagt Gizzatov. „Und wem gehören die Daten?“, fragte Glatte. Klare Antwort: „Dem Kunden“.

Co-Moderator Sven Wingerter vom Workplace-Spezialisten Eurocres stellte die Frage, ob manche Unternehmen ihre unterschiedlichen Belegungsraten in verschiedenen Ländern untersuchen und so Benchmarking-Vergleiche anstellen, um möglicherweise Büroflächen reduzieren? Auch dies bejahte Gizzatov und berichtete von einem Kunden, der in Großbritannien eine Auslastung von 60, 65 Prozent habe, also weit über dem Durchschnitt. Dies bedeute, dass er dort einiges richtigmache und die Erfahrungen, auch zu einzelnen Wochentagen, auf andere Länder zu übertragen versuche.

An Schmitt wandte sich Wingerter mit der Frage, was sie mit den regelmäßig gesammelten Daten machen? „Konsolidiert Ihr nun ständig und organisiert die Flächen um?“ Hierzu Schmitt: „Wir haben keine internationalen Benchmarks, die wir als Maßstab für andere ansetzen. Aber wir haben das permanente Ziel, die Belegrate zu erhöhen.“ Beim neuen Gebäude am Hauptsitz in Ludwigsburg gebe es auch die generelle Möglichkeit, eine ganze Etage zu schließen, falls man feststelle, dass man alle Mitarbeiter auch in den anderen Stockwerken unterbringen kann. Damit spare man beispielsweise Energie.

Mit dem Blick auf Corporate Real Estate Management und die Bedeutung harter Zahlen, stellte Glatte seine Abschlussfrage: „Wo werden sich die Belegungs- beziehungsweise Leerstandsraten hinbewegen?“ Hierzu Real Estate Manager Schmitt: „Die Belegungsrate sollte irgendwann wieder auf dem Vor-Corona-Niveau sein. Unser Ziel liegt bei 80 Prozent.“ Und Gizzatov abschließend: „Es wird Maßnahmen von den Vermietern und Nutzern geben, den Fußabdruck zu verringern. Doch über allem schwebt die große Unsicherheit zu den unterschiedlich intensiven Wochentagen. Diese werde man nicht auflösen können, aber man kann immer wieder die Daten verfolgen, um auf dem Laufenden zu sein. Die Lösung sei dabei der hybride Ansatz, also die Mischung aus Büropräsenz und mobiler Arbeit.“

Glatte freute sich über die genauen Einblicke „von Montag bis Freitag“ und erkannte noch viel Luft nach oben: In jedem Fall gebe es „einen großen Hebel zur Kostenoptimierung auf der Unternehmens-, aber auch auf der institutionellen Seite“, schloss er den Mastertalk #28.














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