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20.03.2023 Der Immobilien-Teilverkauf – Zukunftsmodell oder Stolperfalle?

Jonathan Diehl, LL.M. (links) und Bruno Geyken. Fotocredits: Reed Smith LLP
In Deutschland wird der Immobilien-Teilverkauf immer beliebter. Vor allem älteren Menschen mit Grundstückseigentum soll damit Liquidität verschafft werden. Doch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) warnt vor dem Modell. Ein Teilverkauf sei oft riskant und könne teuer werden. Ist die Kritik daran berechtigt? Worauf sollten Verbraucher achten und welche Lösungen und Alternativen gibt es? Das untersucht der folgende Aufsatz von Jonathan Diehl, LL.M. und Bruno Geyken.

Jonathan Diehl, LL.M., ist Rechtsanwalt bei Reed Smith LLP in Frankfurt am Main. Er ist Mitglied der Reed Smith Real Estate Group. Schwerpunkte seiner Praxis sind Immobilientransaktionen sowie die Prozessführung im Zusammenhang mit immobilienrechtlichen Streitigkeiten. Bruno Geyken ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Reed Smith LLP in Frankfurt am Main im Bereich Real Estate.

1. Wie funktioniert das Geschäftsmodell mit dem Teilverkauf?

Die Eigentümer verkaufen bis zu 50 % ihrer Immobilie an ein Unternehmen. Im Gegenzug erhält der Teilverkäufer den Kaufpreis in Tranchen oder als Einmalzahlung sowie ein Nießbrauch- oder Wohnrecht. Für dieses Recht wird ein Nutzungsentgelt gezahlt. Gleichzeitig wird der Teilkäufer bevollmächtigt später den Gesamtverkauf der Immobilie zu veranlassen. Das kann nach dem Tod des Teilverkäufers erfolgen oder zu Lebzeiten, wenn der Eigentümer zustimmt oder auch ohne Zustimmung, wenn bspw. das Nutzungsentgelt nicht mehr gezahlt werden kann.

Die Teilverkäufer können ihre Immobilie weiterhin nutzen, bleiben Miteigentümer und haben die vertragliche Option zum Rückkauf. Zusätzlich wird eine Wertsicherungsklausel vereinbart. Dadurch sichert sich der Teilkäufer den ursprünglichen Kaufpreis und zusätzlich eine Wertsteigerung in Höhe von 17 %, unabhängig von der tatsächlichen Wertentwicklung der Immobilie.

2. Welche Risiken gibt es?

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen zu dem Modell, etwa von der BaFin oder von verschiedenen Verbraucherorganisationen. In der Tat sollten Eigentümer vor allem folgende Risiken im Blick behalten:

Das monatlich zu zahlende Nutzungsentgelt kann hoch ausfallen, in der Regel zwischen 5 und 7 Prozent des verkauften Immobilienteils pro Jahr. Umso höher fällt es aus, wenn kein festes, sondern ein vom 3-Monats-Euribor abhängiges variables Nutzungsentgelt vereinbart wurde. Eine ungünstige Zinsentwicklung treibt das Nutzungsentgelt dann in die Höhe. Weiter anfallende Kosten sind die vom Teilverkäufer zu zahlende Instandhaltungskosten und die Grundsteuer für die Gesamtimmobilie. Sollte die Immobilie später verkauft werden, wird meist noch ein Durchführungsentgelt (inkl. Maklercourtage) von ca. 2,25 bis 5,5 % des Verkaufserlöses aus der Gesamtimmobilie verlangt.

Das Risiko der ausbleibenden Wertsteigerung der Immobilie trägt der Teilverkäufer. Er muss in diesem Fall die Differenz zwischen tatsächlicher und vertraglich zugesicherter Wertsteigerung zahlen.

Auch gegen das Risiko einer Insolvenz des Teilkäufers sollte sich abgesichert werden. Kommt es deshalb zu einer Zwangsversteigerung der Immobilie, ist entscheidend, ob das Nießbrauch- oder Wohnrecht des Teilverkäufers an erster oder zweiter Rangstelle im Grundbuch besichert wurde. Das Nießbrauchrecht bleibt bestehen, wenn dem Teilverkäufer ein Nießbrauchrecht ersten Ranges und der den Teilkäufer finanzierenden Bank eine Grundschuld zweiten Ranges eingeräumt wurde. Es erlischt jedoch durch Zuschlag, wenn es der Finanzierungsgrundschuld der Bank im Range nachgeht und nicht etwas Anderes zwischen Nießbraucher und Ersteher oder in den Versteigerungsbedingungen vereinbart wurde. Wertersatzansprüche des Teilverkäufers am Versteigerungserlös wären dann gegenüber der Forderung der Bank nachrangig. Außerdem droht der zwangsweise Auszug aus der Immobilie.

Die aufgeführten Risiken zeigen, dass das Geschäftsmodell in der Praxis zulasten der Teilverkäufer häufig unausgewogen ist. Aufgrund der kumulierten Nachteile ist das Versprechen der Unternehmen vom „schnellen Geldsegen“ aus Sicht des Teilverkäufers kritisch zu sehen. Das Phänomen wird verstärkt durch fehlende verbraucherschützende Vorgaben des Gesetzgebers zu Transparenz und vorvertraglichen Informationspflichten der Unternehmen.

3. Ein Lösungsweg: Teil-Verkauf vertraglich optimieren

Gleichwohl lässt sich die Wirkung der geschilderten Nachteile vertraglich reduzieren.

Das könnte etwa durch eine am (Mit-)Eigentumsanteil bemessene Beteiligung des Teilkäufers an den laufenden Kosten der Immobilie erfolgen, wie an Instandhaltungskosten und Grundsteuern. Es ist interessengerecht und entspricht auch der gesetzlichen Grundregel, dass Kosten der Erhaltung der Immobilie nach dem Verhältnis des (Miteigentums-)Anteils getragen werden. Der Einfluss auf Instandhaltungsmaßnahmen liegt auch im Interesse des Teilkäufers, da sie den Wert der Immobilie erhalten. Hiervon profitiert der Teilkäufer letztlich.

Auch das Nutzungsentgelt kann Gegenstand vertraglicher Gestaltung sein. Die Möglichkeiten reichen von einem grundbuchlich gesicherten unentgeltlichem Dauerwohnrecht über eine Reduzierung des Nutzungsentgelts und einer Verlängerung der Laufzeit des anfänglich festgeschriebenen Zinssatzes bis zu einer Deckelung des Nutzungsentgelts auf den Betrag des Teilverkaufspreises zuzüglich eines vertraglich festgelegten Betrages. An Wertentwicklungen der Immobilie würde der Teilkäufer trotzdem partizipieren. Gegen eine Wertminderung der Immobilie kann sich der Teilkäufer mit einer Werterhaltungsklausel absichern.

Das nach dem Gesamtverkauf der Immobilie anfallende Durchführungsentgelt sollte nur auf den Verkaufsanteil des Teilverkäufers erstreckt werden. Sonst würde der Teilverkäufer dafür bezahlen, dass der Teilkäufer im eigenen Interesse seinen Anteil an der Immobilie mitveräußert.

Ob sich der Prozentsatz von Werterhaltungsklauseln zugunsten des Teilverkäufers reduzieren lässt, ist vom Verhandlungsgeschick des Teilverkäufers abhängig. Letztlich basiert das Geschäftsmodell der Unternehmen darauf, dass diese durch den Teilkauf der Immobilien wirtschaftlich profitieren. Aus diesem Grund wird das Risiko eines Wertverlustes der Immobilie dem Teilverkäufer auferlegt.

Wenn das Geschäftsmodell des Teilverkaufs gegenüber anderen Finanzierungsmodellen attraktiv erscheinen soll, sollten sich in gängigen Vertragsmustern der Anbieter auch verbraucherschützende Regelungen wiederfinden.

4. Alternativen zum Immobilienteil-Verkauf

Um Eigentümern im Alter Liquidität zu verschaffen, bestehen als Alternative zum Teilverkauf verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten. Besonders typische Varianten sind neben dem klassischen „Seniorendarlehen“, für das im Grundbuch der Immobilie eine Grundschuld bestellt wird, die Leibrente, die Umkehrhypothek und der Rückmietkauf.

Soll es zu einem Eigentumswechsel kommen bietet sich die Leibrente oder der Rückmietkauf an. Bei der Leibrente verkauft der Eigentümer seine gesamte Immobilie an einen Dritten. Dieser begleicht den Kaufpreis durch regelmäßige Rentenzahlungen an den Verkäufer, welchem wiederum ein lebenslanges Wohn- bzw. Nießbrauchrecht eingeräumt wird. Profitabel für Wohnberechtigte ist das Modell vor allem, wenn sie noch lange leben. Der Rückmietkauf ermöglicht dem Eigentümer hingegen seine Immobilie an den Vermieter zu verkaufen und gleichzeitig als Mieter in der Immobilie zu verbleiben.

Wenn kein Eigentumswechsel gewünscht ist, besteht die Option des Seniorendarlehens sowie der Umkehrhypothek. Bei der Umkehrhypothek vereinbart der Immobilieneigentümer mit der Bank einen Kredit, der grundbuchlich abgesichert wird. Beim Ableben des Verkäufers tilgt die Bank das Darlehen durch den Verkauf des Grundstücks.

4. Fazit

Der Immobilienteilverkauf ist ohne interessengerechte Vertragsgestaltung eine Stolperfalle. Der vertragsoptimierte Teilverkauf hingegen reiht sich in eine Reihe anderer geeigneter Modelle ein, die zur finanziellen Absicherung im Alter beitragen können. Ob es ein Zukunftsmodell ist oder diese Form der Immobilienverrentung langfristig wieder die Marktlandschaft verlässt, hängt auch davon ab, ob Anbieter bereit sind, Verbrauchern einen Schritt entgegenzukommen.






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