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10.03.2023 Jena: Life Sciences brauchen mehr Platz für Wachstum

Die Zahlen beeindrucken: über eine Milliarde Euro Umsatz pro Jahr generieren Jenaer Unternehmen im Bereich Life Sciences – also den Teilbranchen Medizintechnik, Biotechnologie, Analytik und Bioanalytik sowie Gesundheitstechnologie. Viele der Firmen haben in den letzten drei Jahren einen enormen Wachstumsschub erlebt und die Nachfrage nach Laborflächen in der Lichtstadt in die Höhe getrieben. Gründe dafür sind generelle demografische Wandel mit einer älter werdenden Gesellschaft, die medizinische Produkte und Dienstleistungen benötigt. Die Corona-Pandemie wirkte zusätzlich als Katalysator. Und: die Unternehmen wollen unabhängiger von geopolitischen Ereignissen werden, und Liefer- und Lagerengpässe möglichst vermeiden. Dafür benötigen sie die entsprechenden Flächen vor Ort. Die Wirtschaftsförderung Jena (JenaWirtschaft) hat für einen umfassenden Überblick nun den 1. Labormarktbericht Jenas – und, nach eigener Recherche, auch ganz Deutschlands herausgegeben.

Laut der Studie umfasst der Jenaer Labormarkt aktuell über 100.000 Quadratmeter. Mehr als die Hälfte davon entfällt auf Hochschulen und Institute; ein weiteres Viertel auf forschende Unternehmen. Auf rund einem Fünftel der Fläche wird produziert. Die entsprechenden Institute und Firmen sitzen vor allem am Beutenberg-Campus, in Jena-Nord, sowie in den Gewerbegebieten Göschwitz und Jena21. Die dynamischsten Nutzenden sind laut Bericht Institute und Unternehmen aus dem Life Sciences Cluster, aber auch aus Optik und Photonik sowie Präzisionstechnik.

Laut Patrick Werner, Projektleiter bei JenaWirtschaft, konzentrieren sich Gründerinnen und Gründer sowie junge Unternehmen vor allem auf Mietflächen, während bei Forschungseinrichtungen und gewachsenen Firmen für den eigenen Bedarf gebaut wird. Und: die Ansprüche an die Flächen sind hoch: „Im Labormarkt werden häufig besondere Anforderungen gestellt. Das reicht von bestimmten Abluftfiltern über den Reinraum bis hin zum Genlabor.“ Entsprechend sei eine Mietpreisspanne in dem Segment nicht ausweisbar; die Netto-Rohbaumiete liegt 2022 laut Bericht aber bei 10 Euro pro Quadratmeter. Aktuell führen Flächenknappheit, hohe Bau- und Energiekosten, schwierige Weltwirtschaftslage, Inflation und steigendes Zinsniveau zu Unsicherheiten für die lokale Wirtschaft.

Diese Herausforderungen, aber auch die Chancen der Jenaer Unternehmen kennt auch Dr. Eike Dazert, Geschäftsführerin des Thüringer Branchenverbandes medways e.V.:

„Wir haben in Jena rund 130 Life Sciences Unternehmen, vom innovativen Start-Up über starke Mittelständler bis hin zum Global Player. Mit rund 12.000 Beschäftigten ist die Branche ein absoluter Innovationstreiber.“ Die Palette reiche dabei von Analytik und Diagnostik über klassische Medikamentenherstellung bis zu Laborautomation und Lasertherapie. Laut Dazert erwirtschaften die Firmen über eine Milliarde Euro Umsatz pro Jahr; rund zwei Drittel davon durch Exporte: „In den letzten drei Jahren sind Lieferketten gestört oder gekappt worden. Das bedeutet, die Unternehmen müssen neue Zulieferer nicht nur finden, sondern auch qualifizieren und in die Zulassung einbinden. Besonders im medizinischen Sektor sind die regulatorischen Rahmenbedingungen hoch und bei der Umsetzung sollte auf EU- und Bundesebene darauf geachtet werden, dass Innovationen nicht ausgebremst oder gar verhindert werden. Laut Dazert müssten außerdem nicht nur Faktoren wie eine Produktion in Europa oder die Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien erwünscht sein bzw. gefordert werden, sondern diese Ansprüche müssen sich auch bei Ausschreibungen in den Zuschlagskriterien wiederfinden.

Auch lokale Herausforderungen gilt es zu meistern. Oft sind Thüringen und Jena international bei Fachkräften noch zu wenig bekannt und die Verdienstmöglichkeiten im globalen Vergleich an anderer Stelle lukrativer. Aber: Laut Dazert sprechen für Jena harte Fakten, weiche Standortfaktoren und die „Menschen mit Lösungskompetenz und Anpackmentalität“, die hier arbeiten: „Die Community ist hier sehr gut vernetzt; und die Nähe zur Universität, zu den Hochschulen und zum Klinikum befruchtet die Life Sciences Akteure.“ Jena sei darüber hinaus weltoffen und international, was wichtig speziell für Fachkräfte aus dem Ausland ist. Auch Kultur, Natur und Freizeitangebote sowie die gute Kinderbetreuung sind Argumente für den Standort Jena.

Die BLINK AG aus Jena ist selbst den Weg von der Gründung „im Briefkasten“ bis zum maßgeschneiderten Laborgebäude gegangen. Das Team um CEO Eugen Ermantraut hat ein neuartiges bioanalytisches Verfahren entwickelt und baut aktuell die Fertigung für die notwendigen Reagenzien – also Nachweismittel – auf. „Damit können klinische Parameter schnell und präzise im Labor und auch im patientennahen Einsatz nachweisen“, so Ermantraut. Die Firma startete Ende 2015 im Bioinstrumentezentrum (BIZ) am Beutenberg; mittlerweile beschäftigt BLINK mehr als 60 Mitarbeitende und hat 2021 im Gewerbegebiet JenA4 ein maßgeschneidertes Labor-, Verwaltungs- und Fertigungsgebäude mit insgesamt 4.500 Quadratmetern errichtet. „Wir haben uns für einen Neubau entschieden, da Mietflächen oft nur begrenzt verfügbar sind und die Anforderungen an die Grundausstattung für Laborflächen nicht immer gegeben war“, so der Firmenchef.

Damit auch andere Gründerinnen und Gründer diesen Weg erfolgreich gehen können, braucht es laut Ermantraut aktiv betreute Inkubatoren – also Einrichtungen, die Existenzgründungen aktiv begleiten und unterstützen – auch außerhalb akademischer Strukturen mit einem klaren Fokus auf die Life Sciences. So könne das bestehende Wachstum der Branche verstetigt und beschleunigt werden.

Ein Wachstum, das sich in Zahlen messen lässt: Gegenwärtig befinden sich 8.7000 Quadratmeter Laborfläche im Bau; in den nächsten fünf Jahren liegt der Erweiterungsbedarf der Unternehmen bei rund 12.000 Quadratmeter. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, müssen laut Patrick Werner im Flächennutzungsplan vorgesehene gewerbliche Vorbehaltsgebiete zügig entwickelt werden. Entscheidend sei, dass die Flächen ausreichend groß und für die Mitarbeitenden gut erreichbar sind. Laborflächen können nicht irgendwo auf der „grünen Wiese“ entstehen, sondern müssen sinnvoll an infrastrukturell gut ausgestatteten Standorten entwickelt werden.





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