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06.02.2023 Ukraine-Flucht: 600.000 Haushalte zusätzlich auf dem Wohnungsmarkt

Bis Ende 2023 wird es rund 600.000 zusätzliche Haushalte in Deutschland geben, die eine Wohnung nachfragen. Das zeigen Berechnungen des Wirtschafts- und Immobiliendatenanbieters empirica regio. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass die erste Jahreshälfte 2022 das Halbjahr mit der größte Nettozuwanderung nach Deutschland seit der Wiedervereinigung war. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes kamen in diesem Zeitraum im Saldo rund 1,05 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit nach Deutschland. Zum Vergleich: im zweiten Halbjahr 2015, als die große Flüchtlingsbewegung aus Syrien einsetzte, lag die Nettozuwanderung mit 756.000 Menschen deutlich niedriger als in diesem Jahr.

Ursächlich für die starke Zuwanderung ist vor allem der Krieg in der Ukraine. Während Ende 2021 noch rund 155.000 Ukrainerinnen und Ukraine in Deutschland registriert waren, lebten im September 2022 laut Ausländerzentralregister bereits rund 1,1 Millionen Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit in Deutschland. Am höchsten war die Zuzugsrate im März, April und Mai mit bis zu 375.000 Personen pro Monat.

„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat eine massive Fluchtbewegung von Ukrainerinnen und Ukrainern zunächst in die Nachbarstaaten, aber dann auch in andere Staaten Europas ausgelöst“, erklärt Jan Grade, Geschäftsführer der empirica regio. „Dadurch ist die in Deutschland lebende Bevölkerung sehr kurzfristig sprunghaft angestiegen. Auch wenn sich die Zuwanderung zuletzt wieder etwas abgeschwächt hat, gehen wir derzeit davon aus, dass der Höhepunkt erst Ende 2023 erreicht wird.“

Geflüchtete sind jung und gut ausgebildet und verteilen sich im Land

Insbesondere der Anteil Minderjähriger Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit ist seit Beginn des Krieges deutlich gestiegen. Während die unter 15-Jährigen im Februar 2022 nur acht Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland ausmachten waren es im September bereits rund 27 Prozent. Ein Großteil der Zugewanderten weist laut einer gemeinsamen Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie des sozio-ökonomische Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin zudem ein hohes Bildungsniveau auf. 72 Prozent verfügen über einen Hochschulabschluss oder vergleichbare Abschlüsse. Knapp ein Fünftel der in der Studie Befragten ist bereits berufstätig.

Darüber hinaus zeigt die Analyse der empirica regio, dass nicht nur die Städte vom Zuzug profitieren. Während sich die Menschen aus der Ukraine zu Beginn verstärkt in Städten wie Berlin und in den ostdeutschen Bundesländern niederließen, hat sich die Verteilung mittlerweile der Verteilung der Bevölkerung in Deutschland angeglichen. Viele ukrainische Haushalte leben aber derzeit noch nicht in einer eigenen Wohnung.

Relativ zur Bevölkerung sind bisher besonders viele ukrainische Staatsbürger in den Städten Baden-Baden, Hof, Schwerin, Gera, Chemnitz, Bremerhaven und Halle (Saale) gemeldet. Hier könnte die Bevölkerungszahl bis Ende 2023 allein durch den Zuzug der Geflüchteten zwischen 3,5 und 4,5 Prozent höher liegen, als dies ohne den Ukraine Krieg der Fall gewesen wäre.

„Die Integration der Geflüchteten ist eine nicht zu unterschätzende gesamtgesellschaftliche Herausforderung: Verwaltungen auf allen Ebenen, gemeinnützige Organisationen und ehrenamtliche Helfer müssen eng zusammenarbeiten, um Primärversorgung und -unterkünfte, die Schaffung von Schulplätzen für die Kinder, Sprachkurse und die Integration in den Arbeitsmarkt sicherzustellen“, so Grade.

Deutlich höhere Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum

Anhand der geschätzten Anzahl der Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland kann empirica regio auch die Zahl der zusätzlichen, potenziell wohnungsnachfragenden Haushalte abschätzen. Eine erste Analyse der empirica ergab Anfang 2022 eine Spannweite von 120.000 bis 500.000 Haushalten bei 300.000 bis 800.000 Geflüchteten aus der Ukraine. Mit dem nun aufgestellten Szenario ergibt sich bis Ende 2023 eine höhere Anzahl von 600.000 zusätzlichen Haushalten in Deutschland. Während bislang mehrheitlich vor allem Frauen und Kinder sowie Ältere nach Deutschland gekommen sind, ist davon auszugehen, dass es in den kommenden Jahren einen verstärkten Zuzug von Männern kommen wird und Haushalte wieder zusammenfinden. Daher wird die durchschnittliche ukrainische Haushaltsgröße von 2,58 Personen je Haushalt im Prognosemodell berücksichtigt.

„Der Bedarf nach neuem und bezahlbarem Wohnraum war noch nie so groß wie heute“, sagt Jan Grade. „Dennoch hängt der Wohnungsbau der Nachfrage schon heute weit hinterher. Von den von der Bundesregierung angepeilten 400.000 Wohnungen konnten 2021 nur knapp 294.000 neu gebaut werden – in diesem Jahr werden es schätzungsweise nur rund 250.000 sein [JGe1] und 2023 wird die Zahl aufgrund der steigenden Zinsen und Lieferkettenprobleme noch weiter zurückgehen. Die Wohnungen müssen zudem an den richtigen Orten entstehen.“

Prognose: Ende 2023 bis zu 1,7 Millionen Menschen aus der Ukraine in Deutschland

Das Modell der empirica regio geht im Maximum im Dezember 2023 von 1,7 Millionen ukrainischen Staatsangehörigen in Deutschland aus – im Jahr 2030 von noch rund 1,2 Millionen. Allerdings hängen die Wanderungsbewegungen davon ab wie sich der Krieg und die Lage in der Ukraine entwickeln. Ob die Menschen bleiben, weiterziehen oder nach dem Krieg in ihr Heimatland zurückkehren werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorhersehbar. Die Prognose bildet darum ein mögliches Szenario ab und die Rahmenbedingungen können sich jederzeit ändern.

„Auch wenn sich die Zuwanderung aus der Ukraine zuletzt etwas abgeschwächt hat – aufgrund der gezielten Zerstörung der Energieinfrastruktur und dem nun einsetzenden Winter rechnen wir mit einem erneuten Anstieg der Zuwanderungszahlen in den kommenden Monaten auf bis zu 80.000 Menschen pro Monat“, erklärt Grade. „Für den Sommer 2023 erwarten wir eine erneute Abschwächung der Zuwanderung und ab Herbst 2023 einen ausgeglichenen Saldo. Voraussichtlich werden ab 2024 Ukrainerinnen und Ukrainer mehrheitlich wieder in die Ukraine zurückkehren, so dass die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden ukrainischen Staatsangehörigen langsam abnehmen wird.“







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