News RSS-Feed

11.01.2023 Ab Mitte 2023 wieder mehr Investmentaktivität – ESG wird must have

Nach Angaben des global tätigen Immobilienberatungsunternehmens Avison Young ist die Formel „Kaufen, warten, teurer verkaufen" auf dem Immobilieninvestmentmarkt letztes Jahr zu Ende gegangen. Mehdi Patrick Riahy, Managing Director & Head of Capital Markets Deutschland bei Avison Young: „Dieses Spiel war bereits mehrfach ´in die Verlängerung´ gegangen. 2022 aber wurde es von der Inflation und den Zentralbanken abgepfiffen, denn inzwischen sind mehrere schwarze Schwäne aufgetaucht, die da heißen: Corona, Krieg, Inflation, Bau- sowie Zinskosten. Das war zu viel für den Markt: statt einer erneuten Verlängerung gab es einen Sudden Death.“

Das vergangene Jahr war laut Avison Young somit die Ouvertüre zu mehreren Akten, in denen auf dem Immobilieninvestmentmarkt unter neuen, eigentlich aber alten Bedingungen gespielt wird. Das heißt als Ausblick für dieses Jahr: Risiken werden wieder als solche wahrgenommen, Geld gibt es nicht mehr umsonst, und Immobilien bedeuten wieder Arbeit. Denn Bestandshaltung ohne aktiv mit der Immobilie zu arbeiten, sie baulich, energetisch, technisch und mit Blick auf die Mieter dauerhaft im Markt zu halten, funktioniert nicht mehr. Schwächen bei der Lage, dem Objekt oder den Flächen werden wieder deutlicher als Risiko wahrgenommen und auch entsprechend bepreist. „Allein aus diesem Grund fallen beim erhöhten Zinsniveau einige Investoren schlicht weg“, so Riahy.

Christian Ströder, Director Innovation & Insight bei Avison Young in Deutschland: „Ohne das Wort ´Zeitenwende´ überstrapazieren zu wollen – die Finanzierungskosten für Büroimmobilien werden auf absehbare Zeit nicht wieder die Eins oder Zwei vor dem Komma haben, günstigstenfalls auf mittlere Sicht die Drei. Das läutet für viele Marktakteure, deren Erfolg insbesondere auf ´von allein´ steigenden Immobilienpreisen basierte, in der Tat eine neue Epoche ein. Das Drehbuch für den ersten Akt hält anfangs eher wenig Aktivität auf der Vorderbühne – dem Transaktionsmarkt – bereit, während auf der Hinterbühne fleißig analysiert und gerechnet wird.“

Demnach wird es 2023 weniger Transaktionen geben, die zudem auch noch mehr Zeit brauchen. Dadurch wird das Transaktionsvolumen im neuen Jahr auf Monate signifikant niedriger bleiben. Deals, die geschlossen werden, finden zudem vielfach ebenfalls hinter der Bühne als Off-Market-Deals statt, da die involvierten Verkäufer eher das Rampenlicht scheuen. Riahy: „Die Verkäufer brauchen noch einige Zeit, um zu akzeptieren, dass es sich nun nicht mehr um einen Verkäufermarkt, sondern einen Käufermarkt handelt. Bis dahin belauern sich die beiden Akteursgruppen noch. Die Preisfindung wird erst circa Mitte 2023 soweit gediehen sein, dass Verkäufer und Käufer wieder vermehrt zueinander finden. Dann beginnt der nächste Akt, und es werden wieder mehr Aktivitäten auf der Bühne stattfinden.“

Dabei stehen Objekte im Fokus, die ESG-Kriterien erfüllen oder nach einer Sanierung erfüllen können, beispielsweise hinsichtlich Energieeffizienz oder Art der Beheizung. Denn die weiterhin hohen Energiekosten werden sowohl für Bestandsmieter als auch für avisierte neue Mieter immer mehr zum Ausschlusskriterium bei der Immobilienauswahl – und mithin auch für Investoren. ESG ist nicht mehr „nice to have", sondern wird ein „must have". Bereits heute fordern Finanzierer und Investoren vor einem Engagement, aber auch während der Haltedauer, sehr viel weitergehende ESG-Aktivitäten und -Informationen ein. Dafür wird sich die Zusammenarbeit von Vermietern und Mietern, nicht nur beim unmittelbaren Betrieb bzw. der Nutzung von Immobilien, sondern auch bei der damit einhergehenden Datenerfassung und -weitergabe noch deutlich weiterentwickeln müssen als bisher, in beiderseitigem Interesse.

Immobilienfinanzierer unter Spannung

Besonders herausfordernd gestaltet sich die Situation für traditionelle Immobilienfinanzierer. Einerseits sollen sie ein möglichst überschaubares Risiko eingehen, andererseits sind Unsicherheit und Risiko aktuell deutlich erhöht. Hinzu kommt, dass Immobilienwerte aufgrund nur weniger Transaktionen und schwieriger Inflations- und Zinsprognosen – schwer zu ermitteln sind. Immobilienfinanzierer nehmen nebst ESG-Themen die Mietvertragsgestaltung und das Geschäftsmodell sowie die Bonität der Mieter genauer unter die Lupe. Sie fordern mehr Eigenkapital von den Kreditnehmern ein, akzeptieren weniger Eigenkapitalsubstitute, und engagieren sich selbst weniger in Segmenten wie Mezzanine-Kapital. Mezzanine-Kapitalgeber indes werden in der aktuellen Marktphase verstärkt Verluste hinnehmen müssen, da das ausgereichte Geld oft ohne Zugriff auf Sicherheiten gewährt wurde. Gleichzeitig schwenken seit einigen Monaten die Anfragen bei Gebern von „Brückenfinanzierungen"[1] von Akquisitionsfinanzierungen hin zur Unterstützung bei Refinanzierungsproblemen. Es zeigen sich also bereits die Folgen der hohen Finanzierungskosten und der Zurückhaltung traditioneller Finanzierer. Die aktuelle Marktphase bringt vermehrt alternative Finanzierungsgeber ins Spiel, die bewusst höhere Risiken nehmen.

Blick auf Risiko und Qualität wird geschärft

Die Renditen nicht nur für Objekte in schwach nachgefragten Lagen oder mit größeren Leerständen, sondern auch die Spitzenrenditen, also für Top-Immobilien in Top-Lagen, steigen bereits seit dem zweiten Quartal 2022. Die parallel dazu steigenden Spitzenmieten können den Wertverlust dabei oft nicht ganz kompensieren. Ströder führt aus: „Allerdings sind es derzeit noch zu wenige Deals um belastbare Aussagen treffen zu können.“ Riahy ergänzt: „Der Markt differenziert sich derweil weiter aus, und Non Core-Produkt erfährt im Moment nur wenig Nachfrage. Hier positionieren sich jedoch bereits Investoren und Assetmanager, die Expertise im Core Plus- oder Value Add-Segment haben.“

Auf dem Büromarkt wird dieses Jahr demnach genauer geprüft, welche Lagen und Objekte für den künftig quantitativ etwas niedrigeren Büroflächenbedarf bestmöglich geeignet sind. Hier wird die Nutzer- und Investorennachfrage relativ hoch bleiben, während insbesondere von der Projektentwicklungsseite her das Angebot neuer Büroflächen aufgrund der beschriebenen Schwierigkeiten begrenzt bleiben wird: Einige bereits durchgeplante Projekte, die noch nicht im Bau sind, werden vorerst nicht gestartet. Das wirkt preisstabilisierend, zumindest für die Investmentprodukte, denen eine gute Zukunftsfähigkeit zugesprochen wird. Zugleich wird auch hier die Ausdifferenzierung des Marktes deutlich: schwaches Produkt wird sowohl von Mietern als auch Investoren eher gemieden, und muss höhere Leerstände, höhere Incentives bzw. Druck auf die Mieten, und steigende Renditen verkraften können. Alternative Strategien, wie die Umnutzung schwer vermarktbarer Büroobjekte in Wohnungen, die lange Zeit zum Leerstandsabbau im Bürosegment beigetragen haben, werden aufgrund der Probleme beim Bau nicht mehr in dem Umfang und der Geschwindigkeit erfolgen können wie bislang.

Perspektiven für den Immobilieninvestmentmarkt

„Es wird noch einige Monate dauern bis sich die Wirtschaft insgesamt, sowie Immobilienfinanzierer und -investoren auf das höhere Zinsniveau eingestellt haben, das trotz jüngst gesunkener Inflationsprognosen für längere Zeit erhöht bleiben wird. Dabei bleibt zu hoffen, dass die Unternehmen einen ausreichend langen Atem für die Transition haben“, so Riahy. „Das Preisniveau bei Immobilien wird sich je nach Qualität etwas reduzieren, insbesondere da die Zentralbankzinsen und Staatsanleiherenditen zunächst noch weiter steigen, bevor sie etwa im Frühsommer 2023 ihren Höchststand erreichen dürften. Der Prozess des Akzeptierens sinkender Immobilienpreise wird für die meisten Verkäufer bis in die zweite Jahreshälfte dieses Jahres andauern. Dass die Inflation bereits Ende 2022 ihren Höhepunkt erreicht zu haben scheint, wird die Preisfindung ein wenig erleichtern.“

Eigenkapitalstarke und langfristig orientierte Investoren können dieses Jahr ihre Vorteile – allein schon das schnellere Agieren – ausspielen. Auch Käufer aus Ländern mit gegenüber dem Euro stärkeren Währungen profitieren von entsprechenden Wechselkursen und können Einstiegsgelegenheiten nutzen. Auch wenn die Inflation in einem Jahr wieder deutlich niedriger sein dürfte – das Preisniveau ist dann aufgrund der zwischenzeitlich „stattgefundenen" Inflation natürlich höher als vorher. Das heißt, auch bei einem nominal unveränderten Preis ergibt sich real ein Wertverlust. „Umso wichtiger sind die inflationskompensierenden Effekte entsprechend gestalteter Mietverträge, die für Immobilien als Anlageklasse sprechen. Darüber hinaus kann man mit Immobilien aktiv arbeiten – und genau das passiert jetzt wieder viel intensiver als in den vergangenen Jahren. Es ist die Stunde der Finanzierungsberater und alternativen Finanzierer, der Immobilien-Assetmanager, der (Developer-)Investoren mit Eigenkapital und Mut, sowie der Berater mit guten Produktideen“, so Riahy abschließend.





Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!