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16.12.2022 Am Kreditmarkt herrscht zum Jahresende 2022 Krisenstimmung

Die anhaltend schlechten Rahmenbedingungen haben bei den deutschen Immobilienfinanzierern im vierten Quartal 2022 zu einem erheblichen Stimmungsabfall geführt. Der Deutsche Immobilienfinanzierungsindex (Difi)*, ein von JLL und dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) quartalsweise erhobener Stimmungsindikator für die gewerbliche Immobilienfinanzierung, ist zum vierten Mal in Folge gesunken. Im Schlussquartal stürzte der Index im Vergleich zum Vorquartal um 19,2 Punkte auf minus 69,7 Punkte regelrecht ab und erreicht damit den niedrigsten Stand seit der erstmaligen Erhebung im Jahr 2011.

Der Difi bildet die Einschätzungen von Finanzierungsexperten ab. Bewertet werden die Lage am Kreditmarkt in den vergangenen sechs Monaten und die erwartete Entwicklung in den kommenden sechs Monaten. Der Indexwert wird aus dem Saldo zwischen positiven und negativen Antworten gebildet.

Sowohl bei der Einschätzung der aktuellen Lage als auch beim Ausblick auf die kommenden sechs Monate hat sich die Stimmung deutlich verschlechtert. Der Situationsindikator verliert im Vergleich zum Vorquartal 22,6 Punkte und steht nun bei minus 82,3 Punkten, der Erwartungsindikator sinkt um 15,9 Punkte auf minus 57,1 Punkte. „Zwar hat sich die konjunkturelle Lage leicht verbessert und auch die Marktzinsen haben sich in den vergangenen Wochen etwas stabilisiert. Insgesamt bleibt es für Immobilienfinanzierer aber weiterhin ein von vielen Unsicherheiten geprägtes Marktumfeld“, kommentiert Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany.

Besonders heftig ist der Wohnungssektor von der Verunsicherung betroffen. Unter den Finanzierern herrscht jedenfalls Einigkeit: Alle befragten Experten schätzen die aktuelle Lage für Wohnimmobilien schlechter ein als im Vorquartal. Der Index rutscht entsprechend auf minus 100 Punkte. Nicht viel besser sieht es bei Büroimmobilien aus: Hier notiert der Situationsindikator bei minus 94,7 Punkten. Am besten wird noch die Lage für Hotels eingeschätzt. Mit minus 60,1 Punkten liegt zwar auch hier der Teilindex deutlich im roten Bereich, allerdings werden die momentanen Finanzierungsbedingungen für Hotelimmobilien besser bewertet als im Vorquartal (minus 69,5 Punkte).

Beim Ausblick auf die kommenden sechs Monate ergibt sich ein zweigeteiltes Bild. Während sich die Einschätzungen für Einzelhandelsimmobilien etwas verbessert und für Hotels nur leicht verschlechtert haben, werden die Sektoren Wohnen, Büro und Logistik deutlich negativer betrachtet. Am schwächsten fällt der Ausblick mit jeweils minus 64,7 Punkten für Wohn- und Büroimmobilien aus.

Timo Wagner, verantwortlich für Debt Advisory bei JLL in Deutschland, sieht bei den Banken aktuell eine starke Zurückhaltung: „Die Kreditvergabestandards werden restriktiver, insbesondere was die Kapitaldienstdeckung angeht. Im Neugeschäft beobachten wir teilweise ein extremes Cherry-Picking.“ Viele Kreditinstitute würden sich auf ihre Bestandskunden und die laufenden Finanzierungen fokussieren. „Erst wenn hier Klarheit über drohende Abschreibungen herrscht und die Banken das Thema im Griff haben, werden sie sich wieder verstärkt dem Neugeschäft widmen“, ist Wagner überzeugt.

Auch bei der Refinanzierung hat sich die Stimmung wieder deutlich eingetrübt, nachdem es im dritten Quartal hier noch Verbesserungen gegeben hat. Für sämtliche Refinanzierungsinstrumente sind die Erwartungsindikatoren zurückgegangen, einige stürzen regelrecht ab. Lediglich für Einlagen ist die Erwartungsschätzung noch im positiven Bereich. Für alle anderen Refinanzierungsarten liegen die aktuellen Werte weit im negativen Bereich: Für Pfandbriefe (minus 28,5 Punkte), unbesicherte Schuldverschreibungen (minus 73,3 Punkte) und Mortgage Backed Securities (minus 71,5 Punkte) werden die niedrigsten Werte seit Beginn der Umfrage gemessen. Nicht viel besser sieht es bei der Einschätzung der Lage an den deutschen Immobilienrefinanzierungsmärkten aus. Für Einlagen fällt der Teilindex mit minus 40 Punkten noch am besten aus, bei Immobilienaktien sieht es minus 100 Punkten maximal schlecht aus.

Wenn Banken Kreditzusagen gewähren, tun sie das in der Regel zu leicht höheren Beleihungsausläufen (LTV). Einzig für Wohnimmobilien gehen die markttypischen LTVs geringfügig zurück. Am höchsten sind die Beleihungsausläufe nach wie vor im Wohnsektor, am niedrigsten bei der Nutzungsart Hotel. „Im Core-Segment liegen die LTVs inzwischen ungefähr auf dem Niveau des zweiten Quartals 2020, aber teilweise noch deutlich unter den Werten, die vor Beginn der Covid-19-Pandemie zu verzeichnen waren“, kommentiert Frank Brückbauer vom Department International Finance and Financial Management beim ZEW.

Bei den Kreditmargen gibt es zum Teil deutliche Aufschläge. Im Core-Segment ziehen die Margen für Büro, Einzelhandel, Wohnen und Hotel im Vergleich zum Vorquartal im Mittel um zwölf bis 34 Basispunkte an. Am teuersten sind Hotelfinanzierung mit 225 Basispunkten im Mittel, am wenigsten Marge verlangen Kreditgeber mit 118 Basispunkte für Wohngebäude. Mit einem Plus zwischen 15 und 53 Basispunkte ist das Value-add-Segment noch kräftiger vom Margenanstieg betroffen. Einzige Ausnahme sind Logistikimmobilien, für die im Schnitt eine um 19 Basispunkte geringere Marge aufgerufen wird.







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