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20.06.2022 Immobilienmarkt Mittel-/Osteuropa: Chancen in Österreich und Polen

Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine lenkten in den letzten Monaten die öffentliche Aufmerksamkeit zunehmend auf die Länder Mittel- und Osteuropas (kurz CEE) und auf deren oft schwierige Position am Schnittpunkt einander ablehnend gegenüberstehender wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Systeme.

Unter dem Eindruck des gegenwärtigen militärischen Konflikts entwickelte sich in vielen westeuropäischen Ländern wohl zum ersten Mal so etwas wie ein Gefühl der Zusammengehörigkeit mit unseren ost- und mitteleuropäischen Nachbarn und ein Bewusstsein für die vielfältigen gemeinsamen Interessen, die sich nicht nur auf Fragen der äußeren Sicherheit beschränken. Sollte sich aus dieser Momentaufnahme tatsächlich eine Hinwendung zur vertieften Integration der europäischen Staaten in Ost und West ergeben, so könnte sich daraus ein Anstoß für eine langfristig positive wirtschaftliche Entwicklung in Mittel- und Osteuropa entwickeln.

Dafür spricht auch, dass Westeuropa seine Lehren aus den Erfahrungen der Covid-19-Pandemie und den aktuellen Lieferkettenengpässen bei Rohstoffen, aber auch bei Halb- und Fertigwaren ziehen muss und die CEE-Länder als Produktionsstätten wichtiger Güter wieder deutlich an Attraktivität gewinnen könnten. Das sogenannte „Near-Shoring“ eröffnet der Region aufgrund leistungsfähiger Produktionsbetriebe und einer funktionierenden, zeitgemäßen Verkehrsinfrastruktur besondere Wachstumsperspektiven. Gleichzeitig bringen die erfolgreichen Bildungsoffensiven der letzten Jahrzehnte in praktisch allen CEE-Ländern eine Vielzahl an gut ausgebildeten, ehrgeizigen und leistungsbereiten jungen Menschen auf die Arbeitsmärkte – dies wird, sofern die Abwanderung nach Westen durch Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze gestoppt werden kann – in der Zukunft unzweifelhaft zu einer spürbaren Kräfteverschiebung in Richtung der mittel- und osteuropäischen Länder führen.

Doch was bedeutet das für Immobilieninvestments in der Region?

Der Unterschied in der Bruttoanfangsrendite zwischen CEE und Westeuropa beträgt, abhängig von Assetklasse und Geografie, auch unter den aktuell geänderten Rahmenbedingungen rund 100 bis 300 Basispunkte. Zudem sind Bankdarlehen angesichts der größeren Spreads in CEE zu nach wie vor verhältnismäßig attraktiven Konditionen erhältlich, was im Ergebnis höhere Eigenkapitalrenditen als in Westeuropa bei durchaus moderatem Risiko möglich macht. Zudem läuft der immobilienwirtschaftliche Zyklus in CEE jenem in Westeuropa traditionell hinterher bzw. folgt teilweise eigenen, lokalen Mustern – dies kann die häufig gewünschte Diversifikation pan-europäischer Immobilienportfolios befördern.

Marktupdate Österreich: Wohnen, Büro und Logistik auf Wunschliste ganz oben

Eine Sonderstellung nimmt in diesem Szenario das zentral gelegene EU-Land Österreich ein. Wirtschaftspolitisch klar westeuropäisch kann durch die Einbeziehung dieses über Jahrzehnte hinweg berechenbaren Immobilienmarktes diversifizierten Immobilienportfolios eine interessante Stabilitätskomponente hinzugefügt werden.

Nach der Covid-19-bedingten Rezession erholte sich Österreichs Wirtschaft sehr schnell, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreichte bereits im dritten Quartal 2021 wieder Vorkrisenniveau. Wie überall in Europa wird der Ukraine-Krieg allerdings auch in Österreich neuerlich zu negativen Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung führen. So wurde die BIP-Prognose von der Österreichischen Nationalbank jüngst auf 3,5 Prozent für 2022 und 2,2 Prozent für 2023 angepasst. Ungeachtet dessen macht das enorme Aufholpotenzial im Winter-, Sommer- und Städte-Tourismus diesen Wirtschaftszweig wieder zur verlässlichen Stütze der Konjunktur. Insgesamt entfällt über die Hälfte des für 2022 prognostizierten Wirtschaftswachstums auf die Bereiche Beherbergung und Gastronomie.

Vor diesem Hintergrund bleibt auch der Investmentmarkt stabil: Das österreichische Investmentvolumen stieg im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent auf rund 4,3 Milliarden Euro, für 2022 wird ein weiterwachsendes Transaktionsvolumen von etwa 4,5 Milliarden Euro prognostiziert, was in etwa dem Mittelwert des Zeitraums der Jahre 2015 bis 2021 entspricht. Die Limitierung der österreichischen Immobilienmärkte begründet sich fast ausschließlich aus dem Mangel an weiteren Anlageprodukten.

Vor allem der boomende Wohnungsmarkt schafft Opportunitäten. Die Hauptstadt Wien wächst sehr dynamisch und baut mit rund 1,9 Millionen Einwohnern ihre Position als zweitgrößte deutschsprachige Stadt (nach Berlin) weiter aus. Mieten und Kaufpreise sind im internationalen Vergleich trotz steigender Preise weiterhin günstig. Der verfügbare Wohnraum wird sich angesichts sinkender Fertigstellungszahlen in den nächsten Jahren und der wieder stark steigenden Zuwanderung weiter verknappen. Neben Wien weist auch die steirische Landeshauptstadt Graz eine außerordentliche Dynamik auf und wächst prozentual sogar noch stärker als die Bundeshauptstadt. Als dritter Investitionsstandort bei Wohnimmobilien überzeugt Linz.

Der Büromarkt konzentriert sich primär auf Wien, wo die Mieten nach wie vor stabil sind. Die geringe Flächenverfügbarkeit gepaart mit den niedrigen Fertigstellungsleistungen bei gleichzeitig niedrigem Leerstand führte dazu, dass in Wien mit einer Vermietungsleistung von ca. 170.000 qm ein eher schwaches Jahr 2021 registriert wurde. Aber schon ab der zweiten Jahreshälfte 2022 könnte eine deutliche Erholung am Vermietungsmarkt zu spüren sein. Etliche große potenzielle Mieter werden ihre vorübergehend unterbrochenen Anmietungsprozesse wieder aufnehmen. Insgesamt sollten in diesem Jahr ca. 130.000 qm Bürofläche fertiggestellt werden, wovon etwa 75 Prozent bereits vorverwertet sind. Bei einem Großteil davon handelt es sich um generalsanierte Flächen in innerstädtischen Lagen, Neubauprojekte werden fast ausschließlich in peripheren Lagen realisiert.

Die österreichischen Immobilienmärkte werden aufgrund ihrer nachgewiesenen Krisenfestigkeit auch in der derzeitigen Marktphase für institutionelle Investoren ein wertvoller Bestandteil einer breiten Anlagestrategie bleiben.

Marktupdate Polen: Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung als Push für Wohnimmobilien

Polen gehört zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Europas. Auch in der Corona-Pandemie zeigte sich Polens Wirtschaft so resilient wie kaum eine andere in der Europäischen Union (EU). Auch für das laufende Jahr 2022 gehen die Prognosen von 5,5 Prozent BIP-Wachstum aus. Bereits im Jahr 2020 lag das BIP Warschaus über dem einiger westeuropäischer Städte wie Birmingham, Barcelona, Berlin, Madrid oder Rom. Bis zum Jahr 2025 wird ein weiterer deutlicher Kaufkraft- und Wohlstandgewinn in Warschau, aber auch in Polens Sekundärstädten, prognostiziert. Die Reallöhne steigen in Polen seit Jahren deutlich an.

Geringe Arbeitslosigkeit, steigende Löhne und höhere Kaufkraft bilden auch in Polen eine starke Basis für Wohnimmobilien. Die Nachfrage nach modernem Wohnraum wächst rasant. Der Großteil des Wohnungsbestands ist nach wie vor alt und von geringer Qualität. Viele jüngere Polen orientieren sich am westlichen Lebensstil und wollen ihre neue Wohnung eher mieten als kaufen. Steigende Kaufpreise und restriktivere Kreditvergaben unterstützen diesen Trend. Gleichzeitig wird die Anzahl der polnischen Haushalte bis zum Jahr 2030 auf rund 15,4 Millionen steigen, das sind fast zwei Millionen mehr als im Jahr 2011. Die Nachfrage nach effizienten, kleineren Wohnungen wird aufgrund zunehmender Urbanisierung ebenfalls weiter anwachsen.

Insbesondere Warschau wächst sehr dynamisch und baut seine Position als wichtige Wirtschaftsmetropole in Osteuropa weiter aus. Im Großraum Warschau leben aktuell rund 3,5 Millionen Menschen, dies bei steigender Tendenz. Mieten und Kaufpreise entwickeln sich aufgrund des nach wie vor knappen Angebotes weiter nach oben. Bis vor kurzem gab es bei knappem Angebot an Mietwohnprojekten eine sehr starke Nachfrage seitens westeuropäischer Investoren, daher waren oft nur Forward Deals (oft mit Forward Funding) möglich. Aufgrund des vorsichtigen Zögerns einiger Investoren bei Neuabschlüssen hat sich diese Wettbewerbssituation aktuell ein wenig entspannt. Verfügbar sind insbesondere Top-Projekte mit kleinen Wohnungsgrößen in guten Wohnlagen, bevorzugt innerstädtisch oder mit sehr guter öffentlicher Anbindung. Die relativ zu anderen Wohnprojekten in weniger guten Lagen niedrigere Rendite an Top-Standorten wird durch die langfristige Stabilität und Wiedervermietbarkeit überkompensiert.

Fazit: Inflation und Krisen stärken grundsätzlich die Neigung zum Immobilienkauf

Sachwerte gelten durchwegs als „krisensicher“. Die Erwartung steigender Inflationsraten und höherer Zinsen befeuert zusätzlich die Suche nach den eigenen vier Wänden auf allen Immobilienmärkten. Wer unter den gegebenen Umständen nicht kaufen kann, wird sich am freien Mietmarkt umsehen. Die Wohnungsmietverträge haben zumeist keine Kappungsgrenzen oder Sprungklauseln – die Inflation erhöht die Mieten somit unmittelbar, beispielsweise. durch die in Österreich zulässige vollständige Bindung an den Verbraucherpreisindex (VPI). Vielerorts gibt es durch krisenbedingten Zuzug und Bevölkerungswachstum eine substanzielle steigende Wohnraumnachfrage. Millionen Menschen sind bereits aus der Ukraine geflohen, viele davon kommen auch nach Wien, Warschau oder Budapest. Diese Menschen benötigen Wohnraum, möglicherweise für längere Zeit. In vielen Städten sinken überdies in den nächsten Jahren die Fertigstellungzahlen für Wohnungen – ein eventuelles Überangebot wird schnell absorbiert werden und ein Nachfrageüberhang könnte entstehen. Leerstände werden daher deutlich seltener und zeitlich kürzer sein.

Auch in- und ausländische institutionelle Investoren sehen, gerade im aktuellen Umfeld mit wachsenden Unsicherheiten, Immobilien als einen sicheren Hafen. So ist in Österreich und den CEE-Ländern bislang auch kaum ein Abflauen der Marktaktivität zu beobachten, anders als zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahre 2019, als die Märkte kurzfristig fast vollständig erstarrten. Die Nachfrage nach verfügbaren, attraktiven und nachhaltigen Objekten ist allerorts groß. Hinzu kommt die immer noch große Liquidität im Markt und die geringe Anzahl an profitablen Alternativanlagen. Der hohe Druck auf die Anlageklasse Immobilien wird daher weiter bestehen bleiben und die Preise, jedenfalls langfristig, stabil halten.

Sobald es durch die vollständige Öffnung der Häfen in China zu einer Neuordnung der Lieferketten und zu einem Ende der mancherorts feststellbaren Güterknappheit kommt, wird dies spürbare positive Impulse in den Investmentmarkt senden. Eine Beendigung des Krieges in der Ukraine – wann und wie auch immer dies stattfinden wird – wird unverzüglich zu einer Festigung der europäischen Immobilien-Investmentmärkte beitragen. Ebenso wird die Lösungsfindung für eine tragfähige Energie- und Gasversorgung auf den europäischen Märkten einen wichtigen Beitrag zum Besseren leisten. Die Beruhigung der Zinsmärkte und eine Stabilisierung der Inflationsraten wird zu einem neuen Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage führen. Bis dahin liegen viele Chancen bei potenten All-Equity-Käufern, diese finden in Zeiten wie diesen ein größeres Angebot an Immobilieninvestments bei gleichzeitig geringerem Wettbewerbsdruck vor.


(Von Dr. Manfred Wiltschnigg und Marco Kohla, Managing Partner bei GalCap Europe)






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