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24.11.2021 Boom: Chancen und Risiken von Colocation-Rechenzentren

Colocation-Rechenzentren, die Rechenleistung für Dritte als Dienstleistung anbieten, erleben einen Boom, der nach Analysen von Aengevelt Research dank Digitalisierung, Cloud-Computing und steigender IT-Sicherheitsanforderungen auf absehbare Zeit anhalten wird. Entsprechend bietet diese neue Sub-Assetklasse grundsätzlich gute Anlagechancen für Projektentwickler und Investoren. Ein “Bremsklotz“ sind indessen vor dem Hintergrund von Klimawandel und zukünftigen ESG-Anforderungen ihr hoher Stromverbrauch, ihre Abwärmeproduktion und ihr Flächenverbrauch. Hierauf müssen Rechenzentren mit innovativen Technologien, klimafreundlichen Konzepten und ästhetischer Architektur antworten. Ansonsten ist ihre Nachhaltigkeit und damit Attraktivität als Anlageprodukt ungeachtet ihres Bedarfs gefährdet.

Digitalisierung, Cloud-Computing und IT-Sicherheitsanforderungen haben zu einem Boom von Colocation-Rechenzentren in deutschen Großstädten geführt, die aus immobilienwirtschaftlicher Sicht eine neue Sub-Assetklasse im Core-Bereich darstellen und damit Investoren interessante Anlagemöglichkeiten bieten, aber auch nicht ganz unproblematisch sind.

Spitzenreiter unter den deutschen Colocation-Standorten ist der Raum Frankfurt am Main, wo es bereits über 60 solcher Rechenzentren gibt. Metropolen wie Berlin, München, Düsseldorf und Hamburg, zunehmend aber auch B- oder C-Städte wie Offenbach, Dortmund, Magdeburg oder Karlsruhe sind ebenfalls bereits Colocation-Standorte. Selbst ländliche Regionen profitieren von diesem Boom, wie z.B. Falkenstein im Vogtland mit über 100.000 Quadratmetern von Rechenzentren genutzter Fläche.

Für den Boom der Rechenzentren gibt es mehrere Gründe: Die Digitalisierung in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft vervielfacht den Bedarf an Rechenzentren. Im Zuge von Cloud-Computing werden Software und Daten auf Colocation-Rechenzentren ausgelagert. Videokonferenzen, Online-Zusammenarbeit, Online-Shopping, Industrie 4.0, Big Data, Künstliche Intelligenz, Videostreaming, Social Media werden Colocation weiter befeuern. Die Blockchain-Technologie findet immer mehr Anwendungsmöglichkeiten, von Kryptowährungen über Kapitalmärkte über Auditing bis hin zu Lieferketten und Baugenehmigungsverfahren.

Dabei verlangen Sicherheitsregeln inzwischen zunehmend, dass sensible Daten in Europa bzw. in Deutschland gespeichert werden müssen, um nicht Opfer von Cyber-Attacken staatlicher, geheimdienstlicher, privater und krimineller Akteure aus dem Ausland zu werden. Insbesondere die Finanzbranche ist solchen Regulierungen unterworfen. Zudem können Rechenzentren nicht an beliebigen Standorten errichtet werden, sondern benötigen die Nähe zu leistungsfähigen Datenleitungen und Hubs – wie beispielsweise dem DE-CIX, dem größten Internetknoten der Welt, der sich auf 19 Standorte in Frankfurt und Umgebung verteilt.

Nach Analysen von Aengevelt Research wird die Nachfrage nach Rechenzentren in Deutschland zukünftig weiter stark wachsen. Gleichzeitig finden Investoren in den Rechenzentren eine weitere Sub-Assetklasse im Core-Bereich, die starke Vorteile bietet: eine prospekt- und vertriebswirksame Nutzungsart, verwaltungsarme Einzel-Mietverträge, hohe Flächen- und Geldumsätze pro Projekt. Nachteile liegen im Klumpenrisiko und in der eingeschränkten Drittverwendung der Spezialimmobilien.

Dafür bieten Rechenzentren in Gewerbegebieten eine ungewöhnlich hohe Wertschöpfung pro Quadratmeter und können somit zur Preissteigerung von Gewerbegrundstücken beitragen – allerdings nur in Gebieten, die dafür auch geeignet sind, d.h. die eine ausreichende bauordnungsrechtlich zulässige Höhe aufweisen, auf denen Öltanks für die Notstromaggregate wasserrechtlich zulässig sind, wo Stromversorgung und Verkehrssicherheit gegeben sind.

Bedarf vs. Klimawandel

So notwendig Rechenzentren für die Digitalisierung sind, so kritisch wird insbesondere ihr Strombedarf gesehen: Die deutschen Rechenzentren verbrauchten im Jahr 2020 16 Mrd. kWh Strom für Speicher, Prozessoren, Kühlanlagen etc. – mit hohen jährlichen Steigerungsraten. Das sind bislang zwar nur 2 % der gesamten deutschen Stromerzeugung. Im Raum Frankfurt/Main verbrauchen die Rechenzentren indessen bereits mehr Strom als der Flughafen und machen 20 % des Gesamtstromverbrauchs aus. Damit ist der wachsende Energiebedarf der Rechenzentren genau das Gegenteil von dem, was der Weg zur Klimaneutralität erfordert.

Deshalb gibt es klare Forderungen, dass Rechenzentren einen wachsenden Teil ihres gewaltigen Strombedarfs selbst aus erneuerbaren Energien gewinnen und dass ihre Abwärme genutzt wird. Die Abwärme der Rechenzentrumskühlanlagen lässt sich beispielsweise für die Beheizung von Bürogebäuden oder Wohnungen, von Gewächshäusern (Vertical Farming, Aquaponik) oder Schwimmbädern nutzen. In Stockholm wird die Abwärme von Rechenzentren bereits in das städtische Fernwärmenetz eingespeist und soll zukünftig 10 % der gesamten Wärme stellen. Das bedeutet, dass Betreiber von Rechenzentren mittels innovativer Technologien ihren Strombedarf senken und die Abwärme nutzbar machen müssen, um die steigenden Ansprüche an Klimafreundlichkeit zu erfüllen.

Städtebauliche Entwicklungskonzepte

Der Magistrat der Stadt Frankfurt am Main arbeitet bereits an einem städtebaulichen Entwicklungskonzept, um Klimaschutz-Vorgaben für Rechenzentren zu spezifizieren. Zugleich steigt der Druck, den Flächenbedarf zu senken, indem Rechenzentren stärker in die Vertikale gehen sollen. Und schließlich steigen auch die Ansprüche an die architektonische und ästhetische Gestaltung der Gebäude.

Dazu Daniel Milkus, Mitglied der Aengevelt-Geschäftsleitung und Leiter der Frankfurter Niederlassung: „Rechenzentren sind einerseits dringend notwendig für den Ausbau der digitalen Infrastruktur und sexy für das Image so mancher Kommune – auf der anderen Seite aber so unästhetisch und ungewollt wie Windräder im Vorgarten. Es sind also innovativere Architekturen und ökologische Konzepte gefragt, damit sich die Bevölkerung und die politischen Gremien für diesen unverzichtbaren Teil der digitalen Gesellschaft begeistern können.“

Insgesamt erwartet Daniel Milkus, dass die Nachfrage nach Colocation-Rechenzentren weiterhin stark wachsen wird. Zugleich werden neue Projekte seiner Einschätzung nach hinsichtlich ihrer Genehmigung steigende planerische und politische Anforderungen erfüllen müssen – insbesondere im Hinblick auf Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, Abwärmenutzung, Ästhetik und Architektur.





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