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19.11.2021 Nach dem Gipfel von Glasgow: War da was?

Nach fast zwei Wochen der Posen, des Pessimismus und der „wichtigen Signalwirkungen“ stehen wir nun mit dem Glasgower Klimapakt da. Darin riecht es offen gesagt nach „viel Lärm um nichts Neues“. Dennoch hat das Treffen seinen Zweck erfüllt: Die radikale Rhetorik und die Wiederholung des „unbekannten Bekannten“ dienten dem System, den nationalen Regierungen, den Menschen und auch den globalen Finanzmärkten als Schock und Mahnung. In ihrem Gefolge werden nun schrittweise Antworten und Umsetzungsmaßnahmen folgen.

Was die Erwartungen waren

Der Verlauf des Klimagipfels und das Gesamtergebnis entsprechen weitgehend den Erwartungen. Pessimismus und Dringlichkeitsrhetorik bestimmten das politische Mantra. Die bekannten politischen Lager versuchten, das Ergebnis in ihrem jeweiligen Sinne zu interpretieren: Industrieländer gegen Entwicklungsländer, ressourcenexportierende gegen ressourcenimportierende Länder, die Zögerlichen gegen die Entschlossen. Die Versuche, die Grundsätze der Klimagerechtigkeit in politisches Kapital umzuwandeln und darüber zu streiten, wer am meisten oder am wenigsten Schuld an den gegenwärtigen und zukünftigen Bränden trägt, machten deutlich, dass es nun vor allem ums Geld geht.
Die Ergebnisse

Kohle

Der wohl bedeutendste Beitrag des Glasgower Klimapakts war die im Text enthaltene Verpflichtung, etwas gegen fossile Brennstoffe zu unternehmen. Während die Formulierung „Ausstieg aus der Kohle“ bis zur letzten Minute umstritten war - wodurch die Gefahr bestand, dass die Vereinbarung insgesamt gekippt wird - wurde ein Konsens über das „Auslaufen“ der Kohlenutzung erzielt. Für die übrigen fossilen Brennstoffe wurde ein schrittweiser Abbau der „ineffizienten“ Subventionen vereinbart. Die Tatsache, dass es mehr als 20 Jahre multilateraler Verhandlungen bedurfte, um fossile Brennstoffe ausdrücklich in den Text des Abkommens aufzunehmen, ist ein Beweis dafür, wie langsam und schwierig solche multilateralen Verhandlungen sind.

Kernenergie

Auch wenn die Kernenergie nicht im Entwurf des Abschlussdokuments verankert ist, spielte das Thema ihrer Rückkehr in den Debatten immer wieder eine Rolle. Dies ist ein willkommenes Signal angesichts der jüngsten Energiekrise, welche die Bedenken hinsichtlich einer (kohlenstoffarmen) Energieversorgung verstärkt hat. Den Entwicklungsländern bietet die Einführung der Kernenergie in den Energiemix einen potenziellen Weg, die Abhängigkeit von Kohle zu reduzieren, ohne die wirtschaftlichen Wachstumsaussichten zu gefährden. Eine stärkere staatliche Unterstützung für technologische Innovationen im Bereich der Kernkraft könnte dazu beitragen, die Produktionskosten zu senken und erhebliche Mengen kohlenstoffarmer Energie in den Energiemix einzubringen.

Was hat gefehlt?

Seit dem Kyoto-Protokoll ist es nicht gelungen einen fairen und wirksamen Preis für Kohlenstoff und andere Äquivalente wie Methan festzusetzen. Die Preisbildung von Kohlenstoff scheint immer noch vor allem die Rolle des Ausgleichs zwischen naturbasierten Lösungen (durch Aufforstung und Schutz) und freiwilligen Kohlenstoffkompensationen spielen zu müssen. Wirksame Kohlenstoffpreise sollten nicht freiwillig sein; es muss eine obligatorische Abgabe geben, entweder durch direkte Besteuerung oder durch ein quotenbasiertes Kohlenstoffhandelssystem - wie es im europäischen Emissionshandelssystem der Fall ist. Freiwillige Emissionsgutschriften sind oft viel zu billig, wenn man sie mit dem Schaden vergleicht, den CO2-Emissionen und ihre Äquivalente dem Planeten und seiner Bevölkerung zufügen. Der Zweck der Bepreisung von Kohlenstoffemissionen sollte darin bestehen, sicherzustellen, dass der erhobene Preis hoch genug ist, um die Nachfrage nach Treibhausgasemissionen zu verändern, und nicht, um die eigenen Versorgungsmängel auszugleichen - was nur den Status quo verfestigt.

Leider hat sich diese Dynamik mit dem Klimapakt von Glasgow um kein Jota verändert. Die zugrundeliegende Nachfrage nach freiwilligen Kompensationen in Verbindung mit der Wertschätzung des Erwerbs von Gutschriften einer bestimmten Qualität ist ein optimistischer, wenn auch nur kleiner Beitrag zur Berücksichtigung der wahren Kosten der Internalisierung von Kohlenstoffemissionen.

Was das bedeutet

Die weitreichende Einigung, die der Glasgower Klimapakt darstellt, baut auf den vorangegangenen Treffen auf, bekräftigt das Vereinbarte und schiebt die Nadel der Verpflichtung Stück für Stück weiter. Vor Paris befand sich die Weltgemeinschaft auf einem katastrophalen Erwärmungspfad von 3,5 bis 4,2 Grad, nach dem Klimapakt von Glasgow bewegen wir uns auf einem Erwärmungspfad von 2,1 bis 2,4 Grad. Jährliche Folgetreffen werden diesen Pfad weiter nach unten treiben - aber nicht in ausreichendem Tempo.

Die Anpassung an eine neue Welt wird daher weitgehend, wenn auch widerwillig, als Realität akzeptiert. Es gibt eine Vielzahl von Verpflichtungen, um einen breiten Zugang zu Programmen für technische Unterstützung und Zusammenarbeit auf supranationaler Ebene zu gewährleisten. Auch die Methoden und der Zugang zu Daten für die Analyse von Treibhausgasemissionen verbessern sich von Tag zu Tag. Es besteht daher Anlass zu vorsichtigem Optimismus, wenn angesehene Wissenschaftler und Organisationen die Trends bei den CO2-Emissionen aufgrund einer verbesserten methodischen Neubewertung nach unten korrigieren, so dass sie eher ab- als zunehmen.

Finanzmärkte

Die Finanzierung des Wandels war einer der größeren Bestandteile des Klimapakts von Glasgow. Er umfasst mehr als nur die Finanzmärkte, da er auch den Zugang zu multilateralen Fonds und Mechanismen für Entwicklungsländer, die Rolle internationaler Kreditorganisationen und öffentliche Investitionen einschließt. Nichtsdestotrotz sind die Finanzmärkte nach wie vor unverzichtbar, um die beträchtliche Investitionslücke zu schließen. Der Fokus auf ESG-Aspekte wurde damit gestärkt.

(Von Sondre Myge Haugland, ESG Specialist bei SKAGEN)






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