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15.10.2021 Energiemärkte: Schwere Bürde - Ein Cocktail der besonderen Art

Zu den aktuellen Entwicklungen auf den internationalen Energiemärkten erklärt Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena):

„Die aktuellen Preisentwicklungen auf den europäischen und internationalen Energiemärkten sind eine schwere Bürde für viele Unternehmen, viele Bürgerinnen und Bürger und auch für die gegenwärtigen politischen Diskussionen. Die Krise ist eine Folge mehrerer Entwicklungen, die nun kumuliert und mit ungewohnter Drastik wirken. Zu den Ursachen zählen die globale wirtschaftliche Erholung im Zuge der Corona-Krise aber auch die wachsende Erkenntnis, dass der Klimawandel und erforderliche Maßnahmen zu seiner Bekämpfung disruptive Entwicklungen auf eben diesen Märkten auslösen werden. Hinzu kommen anhaltende Logistikprobleme für die Industrie und eine damit verbundene Verteuerung vieler Produkte.

Es ist ein Cocktail der besonderen Art. Das wird der aktuellen wie künftigen Bundesregierung einiges abverlangen und die stringente Entwicklung einer entschiedenen wie effizienten Klimapolitik für die kommenden Jahre erschweren. Wichtig ist nun, die klare Linie zu halten, weil es sonst in Zukunft ähnliche und auch noch teurere Entwicklungen geben könnte.

Aus den aktuellen Entwicklungen ergeben sich Handlungsoptionen und -erfordernisse auf mehreren Ebenen:

Politischer Rahmen:

EU: Fit for 55 ausdrücklich unterstützen: Aktuell stehen die Verhandlungen zur Umsetzung weiter Teile des EU-Klimaschutzprogramms „Fit for 55“ auf der Agenda. Erste Staaten zweifeln angesichts stark steigender Energiepreise an der Durchsetzbarkeit eines entschiedenen Klimaschutzes, der weitere unmittelbare Belastungen mit sich bringen könnte. Die deutsche Politik sollte hier frühzeitig Position beziehen, dass die Verschärfung der Klimaziele und die zugehörigen Maßnahmen unabdingbar sind. Jede Verzögerung würde ein Nachholen in wenigen Jahren erfordern, dass dann umso teurer und disruptiver werden müsste. Das kann nicht im Sinne der EU-Staaten sein.

Nicht am Energiemarktdesign rütteln: An verschiedenen Stellen wird gegenwärtig laut über sprunghafte Veränderungen am EU-Energiebinnenmarkt nachgedacht. Auch hier sollte die Bundesregierung klar kommunizieren, dass das in keinem Falle auf Zustimmung trifft. Das aktuelle Marktdesign im EU-Binnenmarkt ist eines der stärksten Instrumente für einen gelingenden Klimaschutz. Es muss beibehalten und für die Erfordernisse höherer Anstrengungen im Klimaschutz weiterentwickelt werden.

Koalitionsverhandlungen auf Kurs effizienten Klimaschutz halten: Wichtig ist, dass die Orientierung auf einen klaren ökonomischen Rahmen, eine Ausrichtung von Steuern, Abgaben und Umlagen auf das Ziel der CO2-Vermeidung und der Sicherung von Infrastrukturausgaben sowie eine kluge Ausrichtung des regulatorischen Rahmens nicht verloren geht. Der für Deutschland bereits vorgesehene Anstiegspfad für die CO2-Bepreisung in den Sektoren Wärme und Verkehr muss beibehalten, in der Tendenz angehoben und für die Zeit nach 2026 konkreter ausgerichtet werden. Auch wenn ein Anstieg über das bereits beschlossene Preisniveau zum 1. Januar 2022 aktuell wenig realistisch erscheint, bleibt die Erfordernis eines stärkeren Aufwuchses für die darauffolgenden Jahre. Umso wichtiger ist es, die Verteilung der dadurch entstehenden Kosten für Mieter und Vermieter zu regeln und ausreichend Spielraum für die mittelständische Industrie zu schaffen. Denn diese hat aus Ermangelung der benötigten Infrastruktur oftmals keine ausreichenden Möglichkeiten, ihre Treibhausgase schnell genug zu reduzieren.

Konkrete Unterstützung:

Spielräume in der Sozialgesetzgebung nutzen: Deutschland hat im Rahmen seiner Sozialgesetzgebung vielfältige Möglichkeiten besonders einkommensschwache Haushalten zu unterstützen. Diese sollten ob ihrer Praktikabilität und Höhe überprüft und mit Blick auf die aktuelle Situation zeitnah angepasst werden. Auch in anderen EU-Staaten könnten solche kurzfristigen Ausgleichsmaßnahmen ergriffen werden.
Energieeffizienz zum Thema machen: Die Bundesregierung sollte die Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz verstärken, etwa durch unmittelbar wirkende Förderprogramme wie zum Einsatz von digitaler Messtechnik im Heizungssektor. Allein dadurch können viele Haushalte dauerhaft über zehn Prozent ihrer Heizenergie einsparen. Zudem sollte kurzfristig eine Informationskampagne über Möglichkeiten der Energieeffizienz starten, in der auf einzelne rasch wirkende Maßnahmen und Förderinstrumente hingewiesen wird.

Wegweisende Entlastungen vorziehen: Die neue Bundesregierung könnte die EEG-Umlage unmittelbar auf null setzen und die Stromversorger dabei verpflichten, diese Absenkung des Strompreises direkt weiterzugeben. Das wäre für die Haushalte und Unternehmen eine enorme Entlastung bei den Energiepreisen, ein Abbau von Bürokratie und eine echte Beschleunigung für die Energiewende.

Die aktuelle Entwicklung zeigt auch: Fossile importierte Energieträger werden in dem bevorstehenden disruptiven Transformationsprozess gewaltige und schwer steuerbare Belastungen mit sich bringen. Eine Beschleunigung von Energieeffizienz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien kann dem entgegenwirken. Der Weg zu mehr Klimaschutz muss zudem in einem globalen Kontext gedacht werden. Die globalen Energiemärkte und die hier zu erwartenden massiven Veränderungen haben eine viel stärkere Wucht als es einzelne, nationale Förderprogramme je bewirken können. Ein klarer marktlicher Rahmen mit ambitionierten Zielen muss die dauerhafte Grundlage für die Entwicklungen in Deutschland, der Europäischen Union und idealerweise darüber hinaus sein.

Die gegenwärtige Situation taugt auch dazu, diese Zusammenhänge klar und transparent darzustellen und so breitere Akzeptanz für all die Veränderungen zu erzielen, die ein beschleunigter Klimaschutz in den kommenden Jahren erforderlich macht. In unserer jüngst vorgestellten dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität haben wir 84 dafür erforderliche Maßnahmen skizziert, die nun allesamt angegangen werden sollten.“






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