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20.09.2021 Wohnungswirtschaft: Politik und Realität müssen zueinander finden

Wenige Dinge betreffen die gut 8,5 Millionen Menschen in Mitteldeutschland in ihrem Alltag so umfassend wie das Wohnen. Durch die Corona-Pandemie hat das Zuhause noch weiter an Bedeutung gewonnen. Mit Blick auf die Pläne der Parteien zur Bundestagswahl ist der richtige Maßnahmenmix gefragt, damit das Wohnen bezahlbar und zukunftsfähig bleibt. Die Spitzenverbände der mitteldeutschen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft:

- BFW – Bundesverband der Freien Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Landesverband Mitteldeutschland e.V.
- IVD Immobilienverband Deutschland Regionalverband Mitte-Ost e.V.
- vdw Sachsen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V.
- VdW Verband der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt e.V.
- VdWg Verband der Wohnungsgenossenschaften Sachsen-Anhalt e.V.
- VSWG Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V.
- vtw Verband Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V.

fordern eine engagierte und selbstbewusste Wohnungspolitik, die mit einem veränderten Kurs für stabile rechtliche Rahmenbedingungen und ein positives Investitionsklima in der neuen Legislaturperiode sorgt. „Politik und Realität müssen zueinander finden. Wenn alles bleibt wie bisher, wird es schwer möglich sein, weiterhin dauerhaft günstige Mieten bei hohen Wohnstandards anzubieten – ohne die Stadt- und Regionalentwicklung zu gefährden“, betonen die Verbände.

Regulierungswut beenden

Immer neue politische wie technische Auflagen beim Bau und Betrieb von Immobilien schaden Mietern, Vermietern und dem Wohnungsmarkt insgesamt. Sie schränken die Investitionsfähigkeit für Sanierungen sowie Neubau ein. Sie verstärken zudem die Unsicherheit für wichtige Maßnahmen im Sinne der Mieter und der Kommunen, die an den meisten unserer Mitgliedsunternehmen mindestens mehrheitlich beteiligt sind. „Wenn wir weiter auch den Menschen ein bezahlbares Zuhause geben wollen, die es sich sonst nicht leisten könnten, benötigen wir verlässliche und leistbare Rahmenbedingungen“, gibt Rainer Seifert, Direktor des vdw Sachsen, zu bedenken. „Wir brauchen die Rückkehr zu einer faktenbasierten Sachpolitik, die eher fördert, statt reguliert.“

Erhalt des bezahlbaren Wohnens

Auch in den nächsten Jahren ist ein großer Teil der Bevölkerung in Mitteldeutschland darauf angewiesen, dass ihre Wohnkosten im Rahmen einer Kostenerstattung durch die Kommunen übernommen werden. „Die zugrunde liegenden Angemessenheitskriterien wurden allerdings nicht ausreichend fortgeschrieben. Für Bedürftige ist es daher immer schwieriger, angemessenen Wohnraum zu finden“, so die Direktoren von VdW und VdWg, Jens Zillmann und Ronald Meißner. Nach Verbesserungen im Wohngeldbereich müsse es auch zu Erhöhungen im System der Kosten der Unterkunft kommen. „Der Bund hat den Ländern hierfür zusätzlich vier Milliarden Euro bereitgestellt, die jetzt auch nutzbar gemacht werden müssen“, fordern die beiden Verbandschefs aus Sachsen-Anhalt.

Stärkung des ländlichen Raums für gleichwertige Lebensverhältnisse

Mitteldeutschland befindet sich in einer Periode, in der einige wenige Großstädte wie Dresden, Jena und Leipzig zuletzt ein rasantes Wachstum mit sinkenden Leerständen erlebt haben. Im Gegenzug dazu kämpfen aber weite Regionen im Umland mit Überalterung und Schrumpfung – und wieder ansteigenden Leerständen. Allein in Thüringen stehen mittlerweile in ländlichen Regionen fast elf Prozent der Wohnungen leer. In Sachsen liegt die durchschnittliche Leerstandsquote landesweit bei mehr als acht Prozent. „Diskussionen um angespannte Wohnungsmärkte entbehren allein schon vor diesem Hintergrund jeglicher Grundlage“, betont Mirjam Luserke, Vorstand des VSWG. „Selbst in Leipzig stehen über die gesamte Stadt verteilt gut 2.000 sofort bezugsfertige genossenschaftliche Wohnungen leer. Notwendig ist insgesamt eine Fokussierung auf die Quartiere im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung und einer Einbindung aller Akteure. Wir brauchen verlässliche und dauerhaft wirkende Strukturen, um die Attraktivität als Wohnstandort zu steigern und dadurch den Zuwanderungsdruck auf die Großstädte abzumildern und letztlich überall gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten.“

Mehr Bauland bereitstellen

Dr. Ingo Seidemann, Vorstand des BFW Mitteldeutschland, verweist auf die Bereitstellung neuer und kostengünstiger Bauflächen als Grundvoraussetzung für bezahlbares Bauen: „Mancherorts hinkt die Baulandvergabe seit Jahren. Was wir brauchen sind engagierte Kommunen, die in der Bodenpolitik eine aktive Rolle spielen und die die gesetzlichen Möglichkeiten konsequent umsetzen. Hierfür ist eine Reform des Baugesetzbuches erforderlich, die den Namen verdient. Auf die Innenstädte bezogen, muss Wohnungsbau in höherer Dichte und mit flexiblen Nutzungskonzepten möglich werden, unter anderem durch Ersatzneubau und Aufstockung.“

Klimaschutz effektiv und bezahlbar gestalten

Angesichts der bis 2045 angestrebten Klimaneutralität des Gebäudesektors und der vor allem in Mitteldeutschland anstehenden zweiten Sanierungswelle bedarf es praxisnaher Instrumente für die sozialverträgliche Umsetzung energetischer Sanierungen. Zu optimieren sind beispielsweise Fördermöglichkeiten für eine Kombination von energetischen und altersgerechten Sanierungen sowie für die Marktentwicklung serieller Sanierungskonzepte. „Des Weiteren sollten die Wohnkosten durch Bürokratieabbau gesenkt und die CO2-Preise sozial tragbar und anreizwirksam ausgestaltet werden“, so Frank Emrich. Der vtw-Direktor warnt davor, dass durch einseitig verschärfte Regelungen aus Brüssel und Berlin nicht nur die Rentabilität aller Wohnungsbauunternehmen aufs Spiel gesetzt, sondern ebenso die Zahlungsfähigkeit der Mieter massiv überfordert wird. „Wirtschaftlichkeit, Technologieoffenheit und Sozialverträglichkeit müssen die entscheidenden Kriterien auf dem Weg zu klimaneutralem Wohnen sein.“

Wohnen muss Chefsache sein

Der Handlungsbedarf beim Thema Wohnen ist enorm – in Deutschland allgemein und in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Speziellen. „Neben dem richtigen Maßnahmenkomplex sind künftig im Bund wie in den Ländern eigenständige Ministerien für Wohnen und Bauen unumgänglich. Die Aufgaben sind schlichtweg zu komplex, um sie auf Regierungsebene ressourcenseitig mit anderen Ressorts zu koppeln“, sagt Karl-Heinz Weiss, Ehrenvorsitzender des IVD Mitte-Ost. „So würde das Thema Wohnen auch auf der politischen Entscheidungsebene den Stellenwert erhalten, den es gesellschaftlich längst innehat.“

Die mitteldeutschen Immobilienverbände werden auch weiterhin verstärkt den Dialog mit der Politik suchen. Zur anstehenden Bundestagswahl richten sie an die Parteien ihren Appell: Wir stehen Ihnen als Partner und Vertreter der mitteldeutschen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in allen relevanten Fragen zur Seite, um gemeinsam die Herausforderungen im Schulterschluss zu bewältigen. Einseitige Schuldzuweisungen der Politik an die Adresse der Eigentümer sind kontraproduktiv. Es ist in Mitteldeutschland gute Tradition, dass Vermieter und Mieter über die Jahre hinweg sehr gute gemeinsame Lösungen gefunden haben. Verzichten Sie in der nächsten Legislaturperiode auf weitere Verschärfungen und beseitigen Sie die Vielzahl von Hemmnissen für mehr bezahlbaren Wohnraum! Es führt kein Weg daran vorbei, die Voraussetzungen für den bezahlbaren Wohnungsneubau zu verbessern, denn Wohnraum muss für alle geschaffen werden. Die Grundlage dafür sind stabile Rahmenbedingungen, die auf Bundesebene zu etablieren sind. Denn mehr als jede andere Branche sind wir auf langfristige, konstante und aufeinander abgestimmte Maßnahmen von Bund, Land und Kommune angewiesen.





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