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16.08.2021 Freibetrag in der Grunderwerbsteuer erhöht die Marktaktivität

Im aktuellen Wahlprogramm plant die CDU/CSU eine Erleichterung bei der Grunderwerbsteuer. Konkret ist angedacht, den Bundesländern die Möglichkeit einzuräumen, einen Freibetrag für Erstkäufer von 250.000 Euro pro Erwachsenen plus 100.000 Euro pro Kind zu gewähren, der beim Wohnungskauf von der Grunderwerbsteuer ausgenommen sein soll. Vergangene Studien zeigen, dass die bisherigen Grunderwerbsteuererhöhungen mit massiven Verhaltenseffekten der Marktteilnehmer einhergingen. Felix von Saucken, Head of Residential bei Colliers: „Entsprechend ist nun zu erwarten, dass einerseits Immobilienkäufe bis zur Einführung dieser möglichen Reform aufgeschoben werden und andererseits die Marktaktivität dann massiv zunimmt – vorausgesetzt, die Länder machen von dieser Möglichkeit auch Gebrauch. Bleiben die verbreiteten Hoffnungen auf Steuererleichterungen hingegen unerfüllt, könnte es nun zu geringerem Kaufinteresse kommen, das im Anschluss auch nicht in gleicher Höhe nachgeholt wird.“

Zuerst stellt sich die Frage, wie groß das Ausmaß der angedachten Reform wäre – unter der Voraussetzung, dass die Länder davon Gebrauch machen und nicht mit höheren Steuersätzen gegenlenken. Einerseits ist dann die Größe der Gruppe zu betrachten, die von den Freibeträgen betroffen wäre, und andererseits die Stärke der Betroffenheit zu messen.

In Deutschland haben lediglich knapp über 50 Prozente der Haushalte Wohneigentum.[1] Das ist die zweitniedrigste Quote im europäischen Vergleich – noch geringer ist der Anteil lediglich in der Schweiz (Stand 2019, Eurostat, 2021). Entsprechend haben knapp 50 Prozente der deutschen Haushalte kein Wohneigentum. Die Gruppe der Profiteure von der Reform wäre also entsprechend groß.

Doch wie stark würde diese Gruppe überhaupt von einem Freibetrag profitieren? Ein Hemmnis für den Eigentumserwerb sind sicherlich die zuletzt stark gestiegenen Kaufpreise. „Diese drücken sich aufgrund der niedrigen Zinsen zwar nur bedingt in einer gestiegenen Wohnkostenbelastung aus, allerdings ist mit den Preisen auch der absolute Betrag für das Eigenkapital gestiegen, das die Käufer bei der Bank für die Kauffinanzierung hinterlegen und von dem sie die Kaufnebenkosten begleichen müssen“, führt von Saucken aus. Hinzu kommt, dass sich auch der relative Betrag für die Erwerbsnebenkosten in der Vergangenheit stark verändert hat. Für selbst genutztes Wohneigentum haben sich diese in den letzten zehn Jahren (2010 bis 2020) um mehr als 80 Prozent erhöht (Statistisches Bundesamt, 2021).

Die Kaufnebenkosten setzen sich aus den Kosten für Notar, Makler und der Grunderwerbsteuer zusammensetzen. Die Kosten für Notar und die Grundbucheintragung betragen etwa 1,5 Prozent (zzgl. MwSt) des Kaufpreises. Für den Makler unterscheiden sich die üblichen Preise und die Aufteilung der Kosten zwischen Käufer und Verkäufer nach Bundesländern – für den Käufer reichen sie etwa von 2,5 bis 6,0 Prozent (zzgl. MwSt.).[2] Auch die Grunderwerbsteuer unterscheidet sich nach Bundesländern, da diese (seit der Förderalismusreform I in 2006) den Steuersatz eigenständig festlegen dürfen. Ausgehend von 3,5 Prozent in 2006 betrugen die Steuersätze schon im Jahr 2011 bis zu 5,0 Prozent, womit die Grunderwerbsteuer über ganz Deutschland betrachtet, mehr als die Hälfte (52 Prozent) der gesamten Kaufnebenkosten für Grundstückstransaktionen ausmachte (Andrews et al., 2011. Aktuell rangiert der Grunderwerbsteuersatz zwischen 3,5 Prozent (Bayern und Sachsen) und 6,5 Prozent (Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein, Thüringen).

Dr. Lars Vandrei, Associate Director Research Residential bei Colliers, erläutert: „Die angedachten Freibeträge würden mit den aktuellen Preisen und Steuersätzen erhebliche Steuerersparnisse für private Haushalte beim Ersterwerb von Wohneigentum bedeuten. Im Durchschnitt über Online-Inserate aus dem ersten Halbjahr 2021 für Wohneigentum in Deutschland läge die Ersparnis für einen Ersterwerber ohne Kinder bereits bei 11.300 Euro. Zwei Ersterwerber ohne Kinder und einem entsprechenden Freibetrag von 500.000 Euro würden etwa 16.600 Euro sparen.“

Bei gegebenem Freibetrag hängt die Höhe der Steuerersparnis einerseits von der Höhe des lokalen Grunderwerbsteuersatzes ab. Andererseits spielt aber auch die Verteilung der Immobilienpreise eine Rolle, die teilweise unterhalb der Freibeträge liegt. Von den TOP 7-Standorten in Deutschland liegt die größte durchschnittliche Steuerersparnis bei einem Freibetrag von 250.000 Euro in Köln und Düsseldorf, da dort mit 6,5 Prozent die höchsten Steuersätze gelten. Ein Freibetrag von 500.000 Euro bringt hingegen den größten Vorteil in Frankfurt. Hier liegt der Steuersatz mit 6,0 Prozent leicht unter Köln und Düsseldorf. Allerdings ist zum einen der Anteil der Kaufpreise unterhalb des Freibetrags vergleichsweise niedrig (44 Prozent) und zum anderen ist der mittlere Kaufpreis der Inserate unter 500.000 Euro mit mehr als 340.000 Euro immer noch sehr hoch. Zum Vergleich: Der Anteil der Kaufpreise unterhalb einer Grenze von 500.000 Euro liegt in Berlin, Düsseldorf, Köln und Stuttgart im Bereich von 59 bis 64 Prozent, in Hamburg sind es 49 Prozent und in München knapp 30 Prozent. Damit wird für mehr als zwei von drei Wohnungen in München ein Kaufpreis oberhalb einer halben Million Euro aufgerufen.

„Als zweites stellt sich die Frage, welche Effekte wir aufgrund der Steuerbefreiungen erwarten können. Gemäß empirischen Studien haben die vergangenen Erhöhungen der Grunderwerbsteuer der einzelnen Bundesländer zu starken Verhaltensreaktionen der Marktakteure geführt“, sagt der Wohnimmobilieexperte von Saucken. Einerseits wurden Transaktionen in großem Ausmaß vorgezogen, um kurz vor einer Steuererhöhung noch vom günstigeren Steuersatz zu profitieren. Andererseits nahm das langfristige Transaktionsgeschehen nach Steuererhöhungen signifikant ab (Fritzsche & Vandrei, 2019; Petkova & Weichenrieder, 2017).[3]

Die bisherigen Steuererhöhungen reichen von 0,5 bis 1,5 Prozentpunkte. Die zusätzliche Belastung durch diese Erhöhungen ist damit im Mittel deutlich schwächer als die berechneten Steuerersparnisse durch die geplanten Freibeträge. Vandrei: „Da für die Steuererhöhungen wiederum starke Verhaltenseffekte belegt sind, ist davon auszugehen, dass auch mit der Steuerentlastung solche einhergehen werden – mit umgedrehten Vorzeichen: Einerseits dürfte die Anzahl der Transaktionen signifikant steigen, da die vom Freibetrag profitierenden Personengruppen nun weniger Eigenkapital aufbringen müssen. Es steigt auch der Gesamtbetrag, den sie nach Abzug der Nebenkosten für die Immobilie auszugeben bereit sind, wodurch sich eher ein ´Match´ auf dem Markt generieren lässt. Andererseits kommt es zu einem Antizipationseffekt, der massive Verschiebungen von Transaktionen erwarten lässt. Bei einer Steuererhöhung wurden in großem Ausmaß Transaktionen um einen Monat vorverlegt, um noch unter den günstigeren Steuersatz zu fallen (Fritzsche & Vandrei, 2019). Eine Transaktion zu verlangsamen dürfte jedoch in vielen Fällen deutlich einfacher sein, weshalb der Zeitraum, über den Verschiebungen von Transaktionen zu beobachten sind, bei der Steuererleichterung größer sein dürfte als bei Steuererhöhungen.“

„Möglicherweise spekulieren bereits jetzt einige Kaufinteressenten auf die Einführung des in Aussicht gestellten Freibetrags und verzögern entsprechend ihren Immobilienerwerb. Inwiefern jedoch tatsächlich Entlastungen von der Grunderwerbsteuer umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Sollte den Ländern die Möglichkeit aus dem Wahlprogramm der CDU/CSU eingeräumt werden, die Freibeträge zu schaffen, stellt sich die Frage, inwiefern die Bundesländer davon auch Gebrauch machen und nicht zeitgleich weitere Erhöhungen der Steuersätze durchführen“, so Felix von Saucken. „Zwar ist der politische Druck angesichts stark gestiegener Preise – auch auf den Mietmärkten – enorm. Allerdings ist die Grunderwerbsteuer eine zentrale Einnahmequelle der Länder. Sie stellt mit knapp 58 Prozent den größten Teil der Landessteuern dar und macht laut Statistischem Bundesamt 2021 mehr als 5 Prozent der gesamten Steuereinnahmen der Länder aus. Sollten die nun bereits geschürten Hoffnungen der Kaufinteressenten am Ende enttäuscht werden, werden die angestauten Kaufabsichten sich im Anschluss nicht mehr vollständig entladen. Der Gesamteffekt auf die Marktaktivität und entsprechend auch auf die Wohneigentumsquote dürfte dann negativ ausfallen.“

[1] Und lediglich 46,5 Prozent der Haushalte in Deutschland haben eine selbst genutzte Wohnung (Stand 2018, Statistisches Bundesamt).

[2] Seit Dezember 2020 muss derjenige, der den Makler beauftragt, auch mindestens die Hälfte der Provision bezahlen, so dass die Zahllast für den Käufer zumeist halbiert wird.

[3] Die Studien finden ähnlich hohe Effekte für Transaktionen von Einfamilienhäusern. Petkova & Weichenrieder (2017) finden keine signifikanten Effekte für eine Abnahme der Transaktionsaktivität für Geschosswohnungen. Da Geschosswohnungen jedoch deutlich weniger zur Eigennutzung erworben werden als Ein- und Zweifamilienhäuser und Vermieter die Grunderwerbsteuer als Teil der Anschaffungskosten absetzen können, waren in diesem Segment geringere Verhaltensreaktionen auch erwartbar. Für die Zielgruppe der Grunderwerbsteuerfreibeträge dürften die Effekte für Geschosswohnungen und Einfamilienhäuser ähnlich sein.






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