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29.07.2021 Wohnungswirtschaft fordert Baukostengipfel

Die 178 Mitgliedsunternehmen im Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen (vdw) kündigen für das laufende Geschäftsjahr Investitionen in Höhe von 1,35 Milliarden Euro an. Schwerpunkt bleibt der Neubau mit rund 774 Millionen Euro – das wäre ein Plus von rund 180 Millionen Euro gegenüber 2020. Die weiteren Ausgaben gehen in den Erhalt und die Verbesserung der Wohnungsbestände. Maßgeblichen Anteil hat die energetische Modernisierung. Gleichzeitig dämpfen die Wohnungsunternehmen mit ihren durchschnittlichen Nettokaltmieten von 5,71 Euro pro Quadratmeter in Niedersachsen und 5,98 Euro pro Quadratmeter im Land Bremen die Mietenentwicklung.

Trotz der positiven Zahlen warnte vdw-Verbandsdirektorin Dr. Susanne Schmitt am Donnerstag in Hannover vor zu großer Euphorie: „Um die enormen Herausforderungen von Klimaschutz, demografischem Wandel und digitaler Transformation bewältigen zu können, brauchen wir deutlich bessere Voraussetzungen: eine verlässliche Förderung der wirklich effektiven Klimaschutzmaßnahmen, mehr und günstigere Baugrundstücke, digitalisierte Genehmigungs- und Planungsverfahren und ein deutlich verstärktes staatliches Engagement für den Bau und Erhalt von Sozialwohnungen.“

Neubau

Die Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsgesellschaften in Niedersachsen wollen in diesem Jahr 630 (2020: 515) Millionen Euro in den Mietwohnungsneubau investieren. Wie im vorigen Jahr sollen rund 1500 neue Mietwohnungen fertiggestellt werden, davon erneut etwa 430 mit öffentlicher Förderung. Zahlreiche Großprojekte wie etwa in Hannover, in Wolfsburg, in Braunschweig, in Hildesheim und in Wilhelmshaven sind zwar schon im Bau – mit einer endgültigen Fertigstellung ist in diesem Jahr jedoch nicht mehr zu rechnen. Von Anfang 2020 bis Ende 2022 – so hatten es die vdw-Mitglieder angekündigt – sollten 8000 Wohneinheiten fertiggestellt bzw. mit ihrem Bau begonnen werden. „Wir sind trotz schwieriger Rahmenbedingungen auf einem guten Weg, aber diese Vorgabe ist nicht zu erreichen“, sagte vdw-Verbandsdirektorin Dr. Susanne Schmitt zur Zwischenbilanz. Auch die vor Jahresfrist noch erhoffte Zahl von 3200 öffentlich geförderten Wohnungen in diesem Zeitabschnitt sei nicht mehr realistisch.

Im Land Bremen haben die vdw-Mitglieder im vergangenen Jahr 75,3 Millionen Euro für Neubauprojekte ausgegeben, im laufenden Jahr werden es voraussichtlich 143,3 Millionen Euro sein. Für den dreijährigen Zeitraum 2020-2022 stehen ca. 2000 neue Wohnungen in Aussicht – bislang sind knapp 500 bezugsfertig, davon wurden 87 öffentlich gefördert.

Investitionen in den Bestand (Instandhaltung/Modernisierung)

„Eigentum verpflichtet“ – das ist die Handlungsmaxime für die vdw-Mitglieder seit Jahrzehnten. Mehr Klimaschutz, weniger Barrieren im Haus und in den Wohnungen und höherer Wohnkomfort – das sind die wesentlichen Ziele der sozial orientieren Wohnungswirtschaft beim Bestandserhalt. Dafür sind im laufenden Geschäftsjahr 604,8 (2020: 531,5) Millionen Euro vorgesehen. „Diese Investitionen stärken das lokale Handwerk, denn viele Aufträge bleiben in der Region. Damit sichern unsere Unternehmen viele tausend Arbeitsplätze“, hob Verbandsdirektorin Dr. Schmitt hervor.

Baukosten steigen, Kapazitäten fehlen

In dem Zusammenhang warnte die Verbandsdirektorin vor weiter steigenden Baukosten: „Alles am Bau ist sehr viel teurer geworden – nicht nur die viel zitierten Holzpreise sind förmlich explodiert.“ Sie verwies auf Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, wonach die Preise für konventionell gefertigte Wohnhäuser im Mai 2021 um 6,4 Prozent über dem Vorjahreswert lagen. Das war die höchste Steigerung seit 2007 als der Mehrwertsteuersatz von 16 auf 19 Prozent angehoben wurde. Allein von Februar bis Mai 2021 erhöhten sich die Baupreise um 3,6 Prozent. Seit dem Jahr 2000 sind die Baukosten nach Berechnungen der Statistiker bundesweit um 81 Prozent gestiegen. Die allgemeine Teuerung lag in der Zeitspanne nur bei 36 Prozent.

Bei einer aktuellen Umfrage unter Verbandsmitgliedern* zeigte sich, dass die Preise einzelner Materialien aktuell dynamisch steigen. Allein in diesem Jahr wurde nach Angaben von vdw-Mitgliedern Dämmmaterial um rund 150 Prozent, Baustahl um bis zu 40 Prozent und Bauholz teils um mehr als 200 Prozent teurer. Die Liste fehlender oder deutlich verteuerter Materialien ist noch viel länger. Die Wohnungsunternehmen nannten in der Umfrage auch Material für Elektro- und Sanitärinstallationen, Fenster, Türen, Sand, Kies, Kupfer, Dachziegel u.v.m. Vielerorts gibt es keine langfristig festen Zusagen mehr für Materialpreise, die teilweise von Woche zu Woche stark schwanken.

Zweiter großer Engpass sind die fehlenden Kapazitäten im Bauhandwerk. Praktisch alle Gewerke sind betroffen, melden die vdw-Unternehmen. Grund ist oftmals der Mangel an Fachpersonal. Teilweise sind die Handwerksbetriebe aber auch in Kurzarbeit, weil ihnen wiederum Materialien fehlen.

Die Folgen für den Mietwohnungsbau sind gravierend. Ein Beispiel aus Hannover: Weil die entsprechenden Rohre fehlen, wird beispielsweise ein Entwässerungskanal, an dem 200 Wohneinheiten angebunden sind, nicht fristgerecht fertig. Die vdw-Mitgliedsunternehmen melden außerdem, dass im Verbandsgebiet rund 800 neue Wohneinheiten zeitlich im Verzug sind. Hinzu kommen erhebliche Verzögerungen bei kleinteiligen Modernisierungsmaßnahmen. Auch die Vorplanungen für 2022 sind schon jetzt massiv betroffen.

Mittlerweile liegen die Neubaukosten in Ballungsregionen teilweise deutlich über 5000 Euro pro Quadratmeter. Eine kostendeckende Miete liegt dann bei zwölf Euro und mehr pro Quadratmeter. Dr. Susanne Schmitt forderte: „Land und Kommunen müssen alles dafür tun, dass sich diese Preisspirale nicht weiterdreht. Bei den Baulandpreisen ist das Maß längst voll. Außerdem benötigen wir ein Moratorium für energetische und bautechnische Anforderungen an den Wohnungsneubau.“

Dr. Schmitt sprach sich für einen länderübergreifenden Baukostengipfel in Niedersachsen und Bremen aus, bei dem die betroffenen Branchen wie Baustoffindustrie, Bau- und Wohnungswirtschaft, Architekten, Handel und Handwerk gemeinsam mit den Landesregierungen nach Wegen aus dem Dilemma suchen könnten. „Die Politik muss jetzt das Heft in die Hand nehmen. Sonst wird der Mietwohnungsneubau trotz der zuletzt verbesserten Förderbedingungen keine Fahrt aufnehmen“, sagte die vdw-Chefin.

*geantwortet haben 52 Wohnungsunternehmen, die im Neubau oder in der Bestandssanierung aktiv sind

Klimaschutz

Das neue Klimaschutzprogramm der Bundesregierung sieht vor, dass im Gebäudesektor der Ausstoß von Treibhausgasen von heute 117 Millionen Tonnen CO2 auf 70 Millionen Tonnen im Jahr 2030 gesenkt wird. Bis 2045 soll der Sektor CO2-neutral sein. Dafür ist ein massiver Sanierungsschub notwendig – nicht zuletzt bei den Wohnimmobilien. Allein für den Wohnungsbestand der vdw-Mitglieder bedeutet das die energetische Modernisierung von Zehntausenden Wohnungen unterschiedlichster Baualtersklassen. Eine Herkulesaufgabe nicht nur angesichts immer höherer Baukosten. Die Wohnungswirtschaft schlägt daher andere Wege vor, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen. Dr. Schmitt: „Wir sind für abgestimmte Zielvorgaben für Quartiere und nicht nur für einzelne Objekte. Und wir müssen die Energieversorger zur Bereitstellung klimaneutraler Energie verpflichten.“

Die Bremer Wohnungswirtschaft hat eine erste Zwischenbilanz ihrer Klimaschutzanstrengungen vorgelegt. Die sozial-orientierten Wohnungsunternehmen in Bremen und Bremerhaven konnten mit einem Mix verschiedener Maßnahmen den CO2-Ausstoß ihrer fast 62.000 Wohnungen im Zeitraum von 2005 bis 2019 um rund 67.000 Tonnen pro Jahr senken. Das ist ein Minus von 42 Prozent. Weil das immer noch nicht reicht, fordern sie einen verbindlichen Fahrplan der Energieversorger hin zu einer 100 Prozent klimaneutralen und grünen Wärmeversorgung. Außerdem, so warnte Verbandsdirektorin Dr. Schmitt, dürfe die Umlagefähigkeit der CO2-Kosten als Betriebskosten nicht eingeschränkt werden. Sonst wäre die Investitionsfähigkeit der Wohnungsunternehmen auch für klimaschutzrelevante Maßnahmen gefährdet.

Das Fazit der Verbandsdirektorin: „Wir brauchen einen sozialverträglichen Klimaschutz. Bezahlbares Wohnen und Klimaschutz dürfen sich nicht ausschließen. Wer Klimaschutz sozialverträglich erreichen will, muss langfristig bezahlbare Mieten garantieren. Nur so kann Wohnen dauerhaft auch für Haushalte mit geringeren Einkommen gesichert werden.“

Mieten

Trotz steigender Preise am Bau, knapper Ressourcen im Handwerk und langwieriger Planungsverfahren versucht die soziale Wohnungswirtschaft, auch im Neubau verträgliche Mieten anzubieten. Bei einer Umfrage unter den niedersächsischen vdw-Mitgliedern, an der sich 61 Unternehmen mit einem Gesamtbestand von rund 140.000 Wohneinheiten beteiligten, ergab sich für das erste Quartal 2021 folgendes Bild:

• durchschnittliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter bei Erstvermietung 8,09 Euro (die Spannbreite zwischen einzelnen Städten/Landkreisen reichte von 5,60 bis knapp 12 Euro pro Quadratmeter)

• durchschnittliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter bei Wiedervermietung 6,07 Euro (die Spannbreite zwischen einzelnen Städten/Landkreisen reichte von 4,89 bis 8,11 Euro pro Quadratmeter)

• durchschnittliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter im Bestand 5,89 Euro (die Spannbreite zwischen einzelnen Städten/Landkreisen reichte von 4,55 bis 6,92 Euro pro Quadratmeter)

Im Gesamtdurchschnitt lagen die Nettokaltmieten bei den vdw-Mitgliedsunternehmen in Niedersachsen Ende 2020 bei 5,71 Euro pro Quadratmeter (2019: 5,70 Euro/qm) und in Bremen bei 5,98 Euro pro Quadratmeter (2019: 5,85 Euro/qm).

Zu den Wohnkosten addieren sich noch die „kalten“ und die „warmen“ Betriebskosten. Seit Jahren gelingt es den Wohnungsunternehmen, durch strategisches Management diese Ausgaben für ihre Mieter so gering wie möglich zu halten. So zahlten Mieter bei niedersächsischen vdw-Unternehmen Ende 2020 durchschnittlich 1,85 Euro „kalte“ und 1,10 Euro „warme“ Betriebskosten pro Quadratmeter. In Bremen lagen diese Kosten bei 1,74 Euro bzw. 1,00 Euro/qm.

Der Wohnungsbestand mit Mietpreis- und/oder Belegungsbindungen ist weiter rückläufig. Die vdw-Mitgliedsunternehmen verfügten Ende 2020 noch über 36.600 öffentlich geförderte Wohnungen, ein Jahr zuvor waren es noch 40.560. Bis Ende 2025 werden weitere 4900 Bindungen auslaufen.

Corona, Fluktuation und Leerstand

Frühzeitig nach Beginn der Corona-Krise hatten zahlreiche Verbandsunternehmen auf geplante Mieterhöhungen verzichtet, um die Mieterhaushalte in der Pandemie nicht über Gebühr zu belasten. Diese Sorgen erwiesen sich im Nachhinein weitgehend als unbegründet. Lediglich bei den Gewerbemietern – die allerdings nur einen Bruchteil des Gesamtgeschäftes ausmachen – verzeichneten die Wohnungsunternehmen leichte Mietrückstände, die oftmals einvernehmlich ausgeglichen werden konnten. „Ein Lob an unsere Mitgliedsunternehmen, die in Einzelfällen auf Mieteinnahmen verzichtet haben, um ein kleines Ladengeschäft auch nach dem Lockdown im Quartier halten zu können“, sagte Dr. Schmitt.

Generell hat die Corona-Krise die Umzugswilligkeit vieler Privathaushalte nicht beeinflusst. Bei den vdw-Mitgliedsunternehmen haben 2020 rund 25.000 Mieter ihre Wohnungen gekündigt. Die Fluktuationsrate lag in Niedersachsen bei 7,86 Prozent und im Land Bremen bei 8,93 Prozent – beide Werte lagen knapp über dem Vorjahresvergleich. Die Leerstandsquoten aufgrund mangelnder Nachfrage bei den Wohnungsgenossenschaften und kommunalen Wohnungsgesellschaften betrugen Ende 2020 in Niedersachsen 0,23 in Bremen sogar nur 0,07 Prozent. „Praktisch null Leerstände und auf der anderen Seite lange Wartelisten von Mietinteressenten bei unseren Genossenschaften und kommunalen Gesellschaften - der Markt ist und bleibt also sehr eng“, lautete das Fazit von vdw-Verbandsdirektorin Dr. Schmitt.

Arbeiten in der Wohnungswirtschaft

Die vdw-Mitgliedsunternehmen hatten Ende 2020 mehr als 4500 Beschäftigte, darunter waren 252 Auszubildende, vornehmlich angehende Immobilienkaufleute. „Wir bieten attraktive, sehr vielfältige Arbeitsmöglichkeiten“, betonte Dr. Schmitt. Die Verbandsdirektorin verweist auf zwei Informationskampagnen, in den sich junge Leute, aber auch Frauen und Männer mit Berufserfahrung über Arbeitsplätze in der Wohnungswirtschaft informieren können: www.immokaufleute.de – die Website für angehende Auszubildende; und auf www.arbeiten-in-der-wohnungswirtschaft.de findet man Informationen über die Branche und eine Jobbörse. Dabei geht es nicht nur um kaufmännische Tätigkeiten, auch Digitalspezialisten, Ingenieure und Handwerker werden gesucht.

Wohnungsgenossenschaften

Beliebter denn je ist die Genossenschaftsidee. Die Zahl der Neugründungen steigt kontinuierlich – auch der vdw hat zuletzt einige junge Genossenschaften in seinen Reihen aufgenommen. Unter den insgesamt 178 vdw-Mitgliedern sind 100 Genossenschaften. Deren Mitgliederzahl geht stetig nach oben. Ende 2020 waren es insgesamt 231.000 – stattliche 12.000 mehr als 2019. „Bei unseren Mitgliedsgenossenschaften stehen die Mieterinnen und Mieter im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns. Jedes Genossenschaftsmitglied ist gleichzeitig Unternehmer, hat eine Stimme und kann sich in den verantwortlichen Gremien engagieren“, so Dr. Susanne Schmitt. „Aber nicht nur das: Wer in der Wohnung einer unserer Genossenschaften lebt, der muss keine Angst haben: Keine Angst vor Luxussanierung. Keine Angst vor Eigenbedarfskündigung. Keine Angst vor exorbitanten Mietsteigerungen.“





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