Rund um die Gewerbeimmobilie (10/2004, Düsseldorf und Köln)

Flexible Arbeitswelten - Prof. Dr. Stephan Zinser

FLEXIBLe ARBEITSWELTEN...

...steigern die Wertschöpfung – von Prof. Dr. Stephan Zinser

Heute hängt das Überleben eines Unternehmens vom Wissen seiner Mitarbeiter ab. Das verfügbare und in den Köpfen der Beschäftigten verankerte Wissen über Technologien, Produkte, Prozesse, Markt und Wettbewerber gewinnt an Bedeutung. Wissen ist jedoch mobil. Die entscheidende Herausforderung ist es, das mobile verteilte Wissen zielorientiert zusammenzuführen.

Der Erwerb und die Synchronisation von Wissen steht im Vordergrund. Neue Informationstechnologien, wie das Internet und das Handy, haben als Enabler die Arbeitswelt verändert. Erst durch sie ist Büroarbeit nicht mehr an feste Orte gebunden, sie ist überall möglich.

Durch die Mobilität wird sich die Arbeitswelt zu einem Netzwerk von Arbeitsplätzen entwickeln, das durch räumliche, digitale und soziale Infrastrukturen verbunden wird. Räumliche Infrastrukturen sind die physischen Arbeitsplatzangebote (im eigenen Bürogebäude, beim Kunden, zu Hause, im Zug, im Bahnhof ...). Jeder dieser Arbeitsplätze bietet eine bestimmte Infrastruktur und erfüllt für den jeweiligen Nutzer unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen.

Aber auch unterschiedliche Arbeitsplatztypen in einem Firmengebäude, die den Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit entsprechend genutzt werden, fallen in diese Kategorie. Digitale Infrastrukturen erlauben den Zugang zu allen digitalen Informationen zu jeder Zeit an jedem Ort der Welt.

Dazu zählt auch der Aufbau so genannter Wireless Hotspots, wie sie zum Beispiel in den Lounges der Deutschen Bahn und der Lufthansa sowie in verschiedenen Hotels bereits vorhanden sind.

Der Nutzer hat dabei über seinen WLAN-fähigen Laptop kabellosen Zugang zu Internet und seinen E-Mails. Soziale Infrastrukturen bedeutet das bewusste Bilden so genannter Communities, in denen die Mitarbeiter ein Identitäts- und Zugehörigkeitsbewusstsein zu ihren Teams oder zum Unternehmen entwickeln können.

Aber auch Dienstleistungen, vor allem wenn diese zentral im Unternehmen erbracht werden, erweisen sich als stabilisierender Faktor bei Veränderungen, schaffen Identität und sind ein Ruhepol für die Mitarbeiter. Denn die Mitarbeiter brauchen Konstanten und Kontinuität und Rückzugsmöglichkeiten im Unternehmen. Ruhephasen und damit auch -zonen werden zu einem unverzichtbarer Bestandteil der Infrastruktur flexibler Arbeitswelten. Das Umfeld, in dem Unternehmen und Mitarbeiter agieren, ist ständig härter geworden, die Arbeit verdichtet und beschleunigt sich immer weiter. Es gilt, Treffpunkte zu schaffen, Orte, wo wir uns mental erholen können. Auch das gehört zu einer Ökomomie des Wissens. Studien zufolge haben 20 % unserer Gesundheit mit der Umgebung zu tun, in der wir arbeiten: Faktoren wie Licht, Klima, Akustik und Gerüche. Warum kümmern sich beispielsweise bei Audi sieben Personen ausschließlich um den Geruch eines neuen Autos? Im Büro sind diese Themen jedoch eher von untergeordneter Bedeutung. Warum gibt es im Büro nur selten ganzheitliche, interdisziplinäre Planungsprozesse? Dabei steht doch fest, dass durch die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Bürokonzept Arbeitsprozesse, Verhaltensweisen, Effizienz und Wohlbefinden der Mitarbeiter entscheidend geprägt werden.

Erfahrungen aus umgesetzten Beispielen flexibler Arbeitswelten zeigen, dass zur Realisierung neuer Bürokonzepte mehr als nur eine beiläufige oder zufällige Gestaltung notwendig ist; es bedarf einer strategischen und ganzheitlichen Planung. Was im Produktionsbereich gang und gäbe ist, sollte auch für den Bürobereich gelten. Moderne Bürokonzepte müssen geistige Arbeitsprozesse genauso abbilden wie materielle Prozesse in der Produktion.

Dies ist eingebunden sein in eine ganzheitliche Vorgehensweise – von der Definition und Analyse, über die Konzeption und Umsetzung bis hin zu einem Monitoring der umgesetzten Lösung. Dazu sind insbesondere die drei Gestaltungsperspektiven Effektivität, Effizienz und Flexibilität zu berücksichtigen. Effektivität unter dem Gesichtspunkt „die richtigen Dinge tun“, z.B. Konzentration auf die Kerntätigkeiten; Effizienz „die Dinge richtig tun“, z.B. optimierte Abläufe; Flexibilität „die Dinge am richtige Ort zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Personen tun“, d.h. Flexibilität bezüglich Raum, Ort, Organisation und Technik.

Der Methodeneinsatz zur Gestaltung von Büroarbeitswelten hinkt jedoch dem in der Produktion um Jahre hinterher.

Dazu zählt auch, dass eine klare und eindeutige Formulierung der Ziele, die mit der Einführung flexibler Bürolösungen verfolgt werden. Sind es im Produktionsbereich Vorgaben an Durchlaufzeiten, Lagerhaltung etc., so müssen auch im Bürobereich Messkriterien gefunden werden. Generell lassen sich bei der Einführung flexibler Arbeitswelten drei Zielebenen identifizieren:

  1. Strategische Ziele: dynamisches, schlagkräftiges Image, Kundenorientierung etc.
  2. Operative Ziele: Erhöhung der Kommunikation und Flexibilität etc.
  3. Finanzielle Ziele: Flächenwirtschaftlichkeit, Senkung der Kosten pro Arbeitsplatz etc.

Zur Operationalisierung dieser Ziele hat sich eine Office Balanced Scorecard als hilfreich herausgestellt. Diese wurde unter Federführung des iafob im Industriearbeitskreis FLEXIBLE OFFICE NETZWERK entwickelt. Flexible Bürokonzepte lassen sich damit aus einem integrierten Planungsprozess ableiten; Mensch, Technik und Organisation werden ganzheitlich betrachtet. Als Leitlinie können hierbei folgende sieben Leitsätze des Gelingens dienen, die ebenfalls im FLEXIBLE OFFICE NETZWERK formuliert wurden:

  • Denn Sie wissen nicht, was Sie tun! Mit der Einführung flexibler Arbeitswelten starten Sie Ihren wahrscheinlich größten Veränderungsprozess im Unternehmen!
  • Der Kapitän bestimmt den Kurs! Flexible Arbeitswelten brauchen das aktive Vorantreiben durch das Top-Management!
  • Alle an Bord? Mitarbeitern den persönliche Nutzen und die Vorteile transparent machen!
  • Gehe direkt in die flexiblen Arbeitswelten, gehe nicht über Los! Spielregeln schaffen den Rahmen, ohne die flexible Arbeitswelten nicht funktionieren.
  • Service: „Das Öl im Getriebe“ einer Veränderung! Professionelle Services halten flexible Arbeitswelten am Laufen.
  • Höher, schneller, weiter! IuK-Systeme als Voraussetzung für flexible Arbeitswelten!
  • Flexible Arbeitswelten sind der Weg, Büroproduktivität ist das Ziel! Die Office Balanced Score Card zeigt den Weg zum Ziel.

„Wir arbeiten in Strukturen von gestern, mit Methoden von heute an Problemen von morgen, vorwiegend mit Menschen, die Strukturen von gestern gebaut haben und das Morgen innerhalb der Organisation nicht mehr erleben werden“, bringt der bekannte Managementautor Knut Bleicher die Situation in Deutschland auf den Punkt. Eins ist klar:

Wir brauchen dringend Innovationen, auch bzw. gerade in der Gestaltung unserer Arbeitswelt.
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