Rund um die Gewerbeimmobilie (08/2004, Wien)

Allgemeine Rechtsfragen Die Vergebührung von Bestandsverträgen

Von Dr. Wolf-Georg Schärf

Jedem, der in Österreich einen schriftlichen Bestandsvertrag abschließt, ist be-kannt, dass ein solcher vergebührt werden muss. Der Fiskus verlangt für einen schriftlichen Abschluss einen Obolus, der auch ohne großes Nachdenken immer bezahlt wird.

In der Regel wird hierbei an nicht viel gedacht, jedoch liegen in der Vertragsgestaltung oft große finanzielle Fallen, die bei ungeschickten Formulierungen zu erheblichen finanziellen Belastungen führen können, insbesondere dann, wenn der Bestandszins nicht unerheblich ist.

In ¤ 33 TP 5 GebG (Gebührengesetz) ist die Vergebührung der Bestandsverträge geregelt. Bestandsverträge sind im Allgemeinen mit 1% des Wertes zu vergebühren.

Es ist in Österreich sehr selten, dass Bestandsverträge auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen werden. Ein Grund hierfür ist, dass bei einer bestimmten Vertragsdauer der entsprechende vervielfachte Jahreswert (jedoch höchstens das Achtzehnfache des Jahreswertes) die Bemessungsgrundlage für die Vergebührung (1%) ist.

Dies bedeutet, dass bei einem Jahresbestandszins in der Höhe von 120.000,00 E und bei einer 5-jährigen Vertragsdauer die Bemessungsgrundlage 600.000,00 E beträgt und als 1% Gebühr somit 6.000,00 E zu zahlen sind.

In diesen 10.000,00 E pro Monat sind jedoch auch Betriebskosten und Umsatzsteuer enthalten. Jeder Leser kann sich damit leicht ausrechnen, wie hoch ein 5-jähriger Bruttobestandszins bei einer mittelgroßen gewerblichen Immobilie ist.

Die Bemessungsgrundlage besteht neben dem Hauptmietzins auch aus der Betriebskostenpauschale, sowie allen Leistungen, zu deren Erbringung sich der Bestandnehmer verpflichtet hat, um in den Genuss des Gebrauchsrechtes an der Bestandssache zu gelangen. Zu beachten ist, dass in die Bemessungsgrundlage auch einmalige an den Vermieter verpflichtend zu leistende Zahlungen hinzuzurechnen sind. Wenn sich der Bestandnehmer im Vertrag verpflichtet, eine Investition von 30.000,00 E vorzunehmen, so ist dieser Investitionsbetrag ebenfalls als Leistung des Bestandnehmers anzusehen und somit der Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen.

Ist jedoch er berechtigt, eine bestimmte Investition zu tätigen - nicht jedoch verpflichtet -, so wird dies nicht in die Bemessungsgrundlage hineingerechnet. Nicht in die Bemessungsgrundlage hineingerechnet werden verrechenbare Mietzinsvorauszahlungen und Kautionen. Die häufigste Falle in diesem Zusammenhang ist die Bewertung im Hinblick auf die Vertragsdauer.

Wie schon oben dargestellt, ist die Bemessungsgrundlage bei Verträgen mit unbestimmter Vertragsdauer der dreifache Jahresbruttobestandsmietzins. Häufig wird infolge von Investitionen des Bestandnehmers oder -gebers vereinbart, dass ein wechselseitiger Kündigungsverzicht für einen bestimmten Zeitraum besteht.

Ein Kündigungsverzicht für einen bestimmte Zeitraum hat zur Folge, dass neben der Bemessungsgrundlage des dreifachen Jahreszinses auch noch der Zeitraum (in Jahren) hinzugezählt wird, für den der Kündigungsverzicht gilt. Dies bedeutet, dass bei einem 10-jährigen wechselseitigen Kündigungsverzicht die Bemessungsgrundlage für die Gebühr der dreizehnfache Jahresmietzins ist.

Es ist auch der Versuch unternommen worden, durch eine geschickte Formulierung von Kündigungsgründen einen de facto befristeten Bestandsvertrag zu erreichen. Hiebei stellt die Praxis der Finanzverwaltung im Sinne der Judikatur des VwGH darauf ab, wie hoch das Gewicht und die Wahrscheinlichkeit der Realisierung dieser Kündigungsgründe ist.

Der bloße Verweis auf sämtliche Kündigungsgründe des ¤ 30 MRG sowie die Einräumung eines Präsentationsrechtes für den Bestandnehmer stellen keine Befristung dar, auch wenn dieses Präsentationsrecht nur für eine bestimmte Dauer gilt.

Ein einseitiger Kündigungsverzicht auf eine bestimmte Zeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Gegensatz dazu unbeachtlich und führt zu keinerlei Erhöhung der vorzuschreibenden Gebühr.

Die spätere Abgabe eines Kündigungsverzichtes durch den anderen Vertragspartner begründet jedoch eine Gebührenpflicht.

Es ist verständlich, dass aus den oben dargestellten Grundsätzen die Vertragsparteien auch versucht haben, durch ungerechtfertigt lange Kündigungsfristen eine Gebührenerhöhung zu umgehen.

Solchen Maßnahmen hat der VwGH einen Riegel angesetzt, hat jedoch auch ausgeführt, dass eine einjährige Kündigungsfrist bei einem Hotel durchaus zulässig sei.

Es ist eine durchaus gängige Praxis, um das Urkundenprinzip des österreichischen Gebührenrechts diesbezüglich zu umgehen, dass der wechselseitige Kündigungsverzicht vor Zeugen abgegeben wurde, jedoch kein schriftlich unterfertigtes Dokument angelegt wurde.

Zudem besteht die Möglichkeit, mittels Videoaufzeichnung den Kündigungsverzicht zu paktieren. Die Gebühr nach dem Gebührengesetz ist ein österreichisches Spezifikum und stammt noch aus der "guten alten Zeit der Monarchie".

Diese Gebühr war ursprünglich als "Papiersteuer" gedacht, weil damit der Staat an der erhöhten Beweiskraft von schriftlichen Verträgen und Vereinbarungen mitnaschen wollte.

Dass damit jedoch auch für das tagtägliche Geschäftsleben erhöhte Risiken verbunden sind, hat der historische Gesetzgeber nicht bedacht und zwingt heute noch jeden, der einen Bestandsvertrag abschließt, die Hilfe eines Rechtsanwaltes zur Klärung dieser Fragen in Anspruch zu nehmen.

Der Autor ist seit 1995 eingetragener Rechtsanwalt in Wien. In seiner selbstständigen Tätigkeit beschäftigt er sich auch mit Fragen des Immobilienrechtes.
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