Rund um die Gewerbeimmobilie (08/2004, Wien)

Bürotrends Moderne Flächeneffizienz

Wie viel Büro darf es denn heute sein ... ?

Als Berater liegt heute ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Tätigkeit in der Begleitung des Auswahlprozesses zur richtigen Büro-Immobilie.

Am Anfang stehen Büronutzer, die sich in einer Engpass-Situation befinden: "Das Büro wird uns viel zu klein. Wohin setzen wir neue Mitarbeiter? Der Bedarf an Kommunikation nimmt massiv zu und wir haben nicht die geeigneten Räume. Mit einem neuen Raumkonzept könnten wir bei besserer Qualität, Fläche einsparen. Wie viel m2 brauchen wir eigentlich wirklich? Wie wird sich unser Unternehmen entwickeln und was bedeutet das für unser Flächenkonzept? Wir brauchen Szenarien für die Zukunft. Wie stelle ich mich der Frage neuer Arbeitsformen wie Desk-Sharing und Teleworking? Büroeinrichter versprechen mit neuen Produkten.

Einsparungen im Möbel-Investionsbereich - also bei Ihrem eigenen Produkt? Bei der Summe an Gesetzen, Vorschriften und Normen kenne ich mich nicht mehr aus. Wie bekomme ich Sicherheit bei meiner Standortentscheidung?" - Das sind nur einige Fragen, die den Nutzer plagen.

Dem gegenüber steht eine riesige Gruppe, verantwortlich für Vermarktung von Immobilien, die genau diese Fragen meist nicht beantworten kann, die vielleicht gar nicht dazu berufen ist, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen.

Prächtige Präsentationen, deren Tiefe oft zu wünschen übrig lässt, Animationen und Simulationen, die zwar sehr beeindrucken, sich aber manchmal gar nicht in die Praxis umsetzen lassen und deren Informationsgehalt sehr gering sein kann. "Wie viel Büro darf es denn heute sein, vielleicht ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger ... ?"

Wie stellt man sich denn nun dieser komplexen Aufgabenstellung?

Die Erfahrung einer Reihe erfolgreich abgeschlossener Projekt hat gezeigt, dass am Beginn ein ausführliches Briefing steht. In Workshops wird anhand von Check-Listen und Software-Tools ein Anforderungsprofil erstellt.

Die Anforderungen umfassen im Wesentlichen die Bereiche Lage und Infrastruktur, Ausstattung, Technik, Organisation, Flächenbedarf und Repräsentationsgrad. Kenntnisse über das Bestandsobjekt sind ebenfalls unerlässlich, um Unternehmenskultur und Corporate Identity kennen zu lernen sowie bauliche, funktionale und organisatorische Schwachstellen und Engpässe zu erfahren. Für uns steht der Grundsatz: "Büro ist nichts anderes als das Abbild von Organisation auf Fläche", und darin liegt die Herausforderung. In unterschiedlichen Techniken, die von der Mitarbeiterbefragung bis zu Workshops reichen, muss das Organigramm hinterfragt werden, da und dort werden aus der Sicht der Raumplanung kritische Anmerkungen entstehen, es sind Arbeitsmittel zu erfassen, der Einsatz neuer Mittel zu evaluieren, Ablagekapazitäten zu ermitteln und gleichzeitig Paper-Flow-Systeme anzudiskutieren, der Kommunikationsbedarf innerhalb organisatorischer Einheiten und zwischen Abteilungen festzustellen und zu dokumentieren, der Belegfluss zu analysieren und Zukunftsperspektiven aufzustellen, aus denen unterschiedliche Entwicklungsszenarien resultieren.

Teil der Analyse ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Bestandsobjekt und dem vorhandenen Inventar. Kosten und Vorteile von Neuinvestitionen sind den Übersiedlungs- und Adaptionskosten am Bestand gegenüberzustellen. In der detaillierten Organisationsanalyse werden Kommunikationsbeziehungen, erforderliche Arbeitsmittel und der Bedarf an Sonderräumen von jedem Mitarbeiter abgefragt. Schließlich sollen ja Gruppen und Abteilungen optimal zueinander angeordnet werden. Auch hinsichtlich der richtigen Büroform (Gruppenräume oder Einzelzimmer) und neuer Arbeitsformen wie desk-sharing müssen Entscheidungsgrundlagen erarbeitet werden.

Mit einem detaillierten Anforderungsprofil kann dann der Nutzer unterstützt durch einen Makler auf die Suche nach dem richtigen Objekt gehen. Die in Frage kommenden Objekte müssen präzise Angaben zu den technischen Anforderungen und Standardausstattungen liefern. In einem umfangreichen Bewertungsverfahren können auf Basis der Kriteriengewichtung durch den Nutzer Sieger des Auswahlprozesses ermittelt werden.

Mit den Zielobjekten der engsten Auswahl startet dann der Belegungsplanungsprozess und der detaillierte Ver-gleich erforderlicher Investitionen und Ausstattungen.

Neben der Lage sind drei Bereiche für eine Immobilienentscheidung unerlässlich.

1.) Mietfläche (auf Basis der Belegungsplanung und des Bürokonzeptes)
2.) Mietpreis und Betriebskosten
3.) Gewünschte Ausstattung und Investitionskosten

Erst nach Vorliegen dieser Daten kann eine Entscheidung getroffen werden. Jedes Mal wieder sind Interessenten sehr überrascht, denn der größte Hebel liegt in der Fläche. Bei detaillierter Analyse können sich Mietflächendifferenzen von bis zu 20 % ergeben.

Vielen Nutzern ist dies nicht bewusst, denn sie verlieren sich in endlosen Preisverhandlungen mit dem Vermieter über wenige Eurocent auf und ab. Gleichzeitig wird auf die Vereinbarung von Preisen für zukünftige Investitionen vergessen. Datenbanken, Tools und aus unterschiedlichen Projekterfahrungen entwickelte Analyse- und Dokumentationsinstrumente sind unerlässlich, um die Flut an Daten und Informationen zu bewältigen und zu fokussieren. Eines muss dem Immobilieninteressenten bewusst sein: Er entscheidet über grob 20 % seines Gesamtkostenspektrums.

Eine Entscheidung mit unglaublicher Tragweite und hinlänglicher Konsequenz. Hier geht es zwar vielleicht "nur" um 20 % der Gesamtkosten, dieser Anteil stellt aber die Rahmenbedingungen für die anderen 80 % dar, die im Wesentlichen in den Personalkosten liegen.

Und hier ist ein extremer Hebel, denn die Art und Weise der Bereitstellung von Infrastruktur hat ganz entscheidenden Einfluss auf die Performance der Mitarbeiter und die Entfaltung des Human Capitals.

Ein Umdenkprozess in der Immobilienwirtschaft hat bereits eingesetzt. Eine erhöhte Leerstandsrate, das steigende Angebot an Flächen und die Wettbewerbssituation verlangen nach einer neuen Qualität und Ausrichtung der Nutzerbetreuung.

Aus dem Repertoire eines erfolgreichen Unternehmenssanierers sei an letzter Stelle zitiert: "Ein Meilenstein im Sanierungsprozess ist für mich immer eine Standortveränderung, denn aus der Veränderung heraus ist es viel einfacher, neue Organisation und Unternehmenskultur erfolgreich umzusetzen."
Facts:
Info Andreas Gnesda
Geschäftsführender Gesellschafter
von FaciCon Gnesda GmbH
Büroplanung, Beratung, Projektmanagement und Innenarchitektur für Nutzer, Lektor an der Fachhochschule für FM in Kufstein, Donauuniversität Krems
1160 Wien
Wilhelminenstrasse 11
Email gnesda@facicon.com
Web www.facicon.com
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