Rund um die Gewerbeimmobilie (07/2004, Düsseldorf und Köln)

Prof. Dr. Stephan Zinser - Flexible Bürolösungen

DIE ZUKUNFT DER ARBEIT?

Flexible Bürolösungen – eine strategische Entscheidung!

Büros waren schon immer der sichtbare Ausdruck der Organisationskultur eines Unternehmens. Heute müssen Bürostrukturen vor allem flexibel sein. So wie sich die Unternehmen der veränderten Wirtschaft anpassen, so müssen sich auch die Büros verändern. Schnelligkeit, Veränderung, Kreativität und Innovation; dies sind die Wettbewerbsfaktoren, die Büros in der heutigen Wissensgesellschaft unterstützen sollten. In vielen Unternehmen ist damit begonnen worden, flexible Bürolösungen einzuführen. Die Realität zeigt jedoch, dass diese von Mitarbeitern nicht immer akzeptiert und die Ziele, die damit verbunden sind, nicht erreicht werden. So sind nur wenige Erfahrungen mit der erfolgreichen Einführung flexibler Bürolösungen bekannt. Dabei steht fest, dass durch die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Bürokonzept Arbeitsprozesse, Verhaltens-weisen, Effizienz und Wohlbefinden der Mitarbeiter entscheidend geprägt werden. Die Produktivitätsstudie 2003 von Czipin & Proudfoot, in der die Ergebnisse von 1.440 Einzelbefragungen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien sowie USA, Südafrika und Australien ausgewertet wurden, kommt zu dem Ergebnis, dass Produktivitätsverluste vor allem durch unklare Prozesse und Verantwortlichkeiten verursacht wurden. Demgegenüber zeigen Untersuchungen, dass kommunikationsförderliche Bürostrukturen dazu beitragen können, diese Effizienzdefizite zu verbessern. Voraussetzung dafür ist, dass Arbeitsumgebungen gezielt zur Unter-stützung einer zu formulierenden Office Mission konzipiert werden und in die Unternehmensstrategie integriert sind.

Mobilität am Arbeitsplatz erhöht die Effizienz

Mitarbeiter werden mobiler. Mobiles Arbeiten bezieht sich dabei zum einen auf externe Mobilität, d.h. arbeiten außerhalb des Firmengebäudes – etwa zu Hause, beim Kunden oder unterwegs – und zum anderen auf interne Mobilität, d.h. arbeiten beim Kollegen, in Besprechungs- oder Projekt-räumen etc.

Dabei kann festgestellt werden, dass in den letzten Jahren sowohl externe als auch interne Mobilität zugenommen haben. Aktuelle Untersuchungen des iafob zeigen, dass sich Mitarbeiter in der Regel nur zu rund 60 bis 70 % ihrer Arbeitszeit im Firmengebäude aufhalten und davon wiederum nur zu 50 bis 60 % am eigenen Arbeitsplatz, die restliche Zeit vor allem in Adhoc-Besprechungen oder Meetings. Insbesondere die interne Mobilität wird an Stellenwert gewinnen. Die Herausforderung wird sein, hierbei die erforderlichen prozessorientierten Bürostrukturen innerhalb eines Firmengebäudes zur Verfügung zu stellen.

Wichtig sind die Nutzungsmöglichkeiten einer Immobilie

Eine Vielfalt unterschiedlicher Arbeitsplätze, einhergehend mit einer Zunahme gemeinsam genutzter Teamarbeitsfläche, ist die Konsequenz zunehmender Mobilität. Für Immobilien ergeben sich daraus Konsequenzen: War früher allein die Lage das Hauptmerkmal für eine Büroimmobilie, so stehen heute die Nutzungsmöglichkeiten im Vordergrund. Der Königsweg liegt im richtigen Mix von Fläche, Belegung und Nutzung. Das Büro selbst wird sich zunehmend zum Knotenpunkt im Netzwerk der Arbeitsplätze und -prozesse entwickeln. Die Immobilie wird zum Ort der Kommunikation, der Teamarbeit, der kooperativen Planung und des informellen Austausches: zum Ort der sozialen Interaktion und Heimat für ständige als auch temporäre Büronutzer, d.h. auch für Kunden. Zunehmende Mobilität führt aber auch dazu, dass Unternehmen über ihre Grenzen hinaus wachsen bzw. dass sich Unternehmensgrenzen auflösen. Dabei sind, wie oben ausgeführt, zwei Stoßrichtungen zu betrachten: Die eigenen Mitarbeiter bewegen sich zunehmend aus der internen Unternehmenszone heraus in semi-öffentliche und öffentliche Bereiche; zum anderen bewegen sich „externe“ Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten zunehmend in das Unternehmen sowohl in die interne Unternehmenszone als auch in die semi-öffentliche Zone hinein. Dies bedeutet, dass hier Lösungen geschaffen werden müssen, die neben den räumlichen, technologischen und sozialen Bedürfnissen im Netzwerk der Arbeitsplätze auch zunehmende Sicherheitsbedürfnisse erfüllen.

Kosten sparen durch flexible Bürolösungen

Eine vom Schweizerischen Wissenschaftsrat in Auftrag gegebene Studie zeigt auf, dass Optimierungsüberlegungen bei der Einführung von flexiblen Bürolösungen überwiegen:

1. Die Möglichkeit, den Arbeitseinsatz flexibel und bedarfsorientiert zu gestalten

2. Die Senkung der Kosten eines Arbeitsplatzes

Andere Gründe, wie Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit, Senkung des Kontrollaufwandes, spielten eine untergeordnete Rolle. Optimierungsüberlegungen dominieren offensichtlich. Dies scheint auch plausibel, wenn man die Kosten eines Arbeitsplatzes und dessen Einsparpotenzial betrachtet. Obwohl die Kostenersparnis als das wichtigste Argument gilt, lassen sich bei der Einführung von flexiblen Bürolösungen drei Zielebenen identifizieren:

1. Strategische Ziele: dynamisches, schlagkräftiges Image, Kundenorientierung etc.

2. Operative Ziele: Erhöhung der Kommunikation und Flexibilität etc.

3. Finanzielle Ziele: Flächenwirtschaftlichkeit, Senkung der Kosten pro Arbeitsplatz etc.

Das richtige Arbeitsplatzkonzept fördert die Mitarbeitermotivation

Viele Unternehmen, wie z.B. das Telekommunikationsunternehmen Orange, setzen ihr Arbeitsplatzkonzept gezielt als Rekrutierungsargument für neue Mitarbeiter ein. Andere Unternehmen sehen flexible Bürolösungen als Instrument der lernenden Organisation.

Ericsson beispielsweise verweist darauf, dass die Einarbeitungszeit neuer Mitarbeiter um rund ein Drittel durch flexible Bürolösungen gesunken ist. Die Mitarbeiter kommen öfter mit unterschiedlichen Mitarbeitern in Kontakt und können sich dadurch viel schneller in die formellen und informellen Arbeitsprozesse einfinden.

Der Erfolg setzt strategische, ganzheitliche Planung voraus

Zur Realisierung neuer Bürokonzepte, insbesondere flexibler Büros, ist mehr als nur eine beiläufige oder zufällige Gestaltung notwendig. Es bedarf einer strategischen und ganzheitlichen Planung. Dazu zählt auch eine klare und eindeutige Formulierung der Ziele, die mit der Einführung flexibler Bürolösungen verfolgt werden. Als hilfreich hat sich hierbei eine Office Balanced Scorecard herausgestellt. Diese muss eingebunden sein in eine ganzheitliche Vorgehensweise von der Definition und Analyse, über die Konzeption und Umsetzung bis hin zu einem Monitoring der umgesetzten Lösung. Das Bürokonzept leitet sich aus einem integrierten Pla-nungsprozess ab. Technik, Organisations- und Nutzerveränderungsprozesse werden damit ganzheitlich betrachtet. Ein umfassendes Office Change Management, das sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter einbezieht, muss als permanenter Begleitprozess verstanden werden. Denn in allen Veränderungsprojekten ist festzustellen: Nie war die bisherige Lösung so akzeptiert wie in dem Moment, in dem sie abgeschafft werden sollte.

Von Prof. Dr. Stephan Zinser, Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung, Zürich/Stuttgart/Nürtingen

Mit dem vom Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob) initiierten FLEXIBLE OFFICE NETZWERK werden in interdisziplinärer Runde Entscheidungsgrundlagen und Vorgehensweisen für flexible Bürolösungen entwickelt.

Damit können notwendige Maßnahmen für flexible Büros möglichst zeitnah realisiert, frühzeitig mögliche gestalterische Alternativen entwickelt und Veränderungsprozesse eingeleitet werden. Seit September 2002 haben sich unter Leitung von Prof. Dr. Stephan Zinser derzeit fünfzehn Unternehmen zusammengefunden, die alle die Einführung flexibler Bürolösungen planen, mit solchen experimentieren oder sie bereits umgesetzt haben: Accenture, Brose, Burkhardt Leitner Constructiv, Citibank, Continental Teves, Ivistar, Leuwico, Münchener Rück, NRW.BANK, Siemens, Siemens Real Estate, TeraGate, T-Mobile und Wini.
Leserumfrage
Wir schätzen Ihre Expertenmeinung!
Hier ist unsere Leserumfrage:
schnell & unkompliziert
Jetzt starten!