Köln - rechtsrheinisch (07/2004, Düsseldorf und Köln)

Interview mit Stadtentwicklungsdezernent Bernd Streitberger

SOLANGE SICH KRÄNE DREHEN, IST ALLES IN ORDNUNG

Interview mit Bernd Streitberger, Dezernent der Stadt Köln für Stadtentwicklung, Planen und Bauen

Wie sieht Ihre erste Bilanz nach mehr als 100 Tagen im Amt aus?

Die Bilanz fällt positiv aus. Ich denke, es gibt wirklich viel zu tun, an allen Ecken und Enden. Eine Menge Themen stehen an, doch die Stadt Köln bietet hervorragende Voraussetzungen. In Deutschland sind wir die Stadt für elektronische Medien. Wir haben eine wachsende Einwohnerschaft und eine Hochschule, die sich viel versprechend entwickelt.

Zudem gibt es noch den Bereich der Umnutzung von alten Flächen, wie beispielsweise den Rheinauhafen und nicht zuletzt das Rechtsrheinische als großes Gesamtprojekt. Allerdings werden wir uns anstrengen müssen, denn wir stehen mit anderen Standorten im Wettbewerb. Aber ich weiß: dafür sind wir gut gerüstet.

Welche Ziele haben Sie sich für die kommenden acht Jahre gesetzt? Und wo sehen Sie die vordringlichen Aufgaben in Köln?

Ich denke nicht nur in Leitprojekten, sondern versuche eine ganzheitliche Entwicklung zu erreichen. Ich glaube, man hat mich für dieses Amt auch ausgewählt, weil man sich von meiner Person verspricht, dass ich den viel zitierten Widerspruch zwischen stadtgestalterischer Qualität und wirtschaftlicher Entwicklung vermitteln kann. Und ich habe sicherlich eine gute Chance, in dieser Richtung zu wirken. Das wichtigste Ziel ist die wirtschaftliche Prosperität. Wir haben Arbeitslosenzahlen, die uns sehr große Sorge bereiten, diese müssen wir nach unten drücken. Damit einher geht eine gute Wohn- und Aufenthaltsqualität in der Stadt, das heißt, wir brauchen eine entsprechende Lebensqualität – die Menschen müssen ihre Stadt auch künftig lieben. Unsere Aufgabe ist es also, strukturwirksame Projekte nach vorne zu bringen, damit der Standort Köln sich weiter entwickelt – mit der Zielsetzung, in der Arbeitslosigkeit zumindest einen einstelligen Prozentsatz zu erreichen.

Sie möchten das rechts- und das linksrheinische Köln stärker miteinander verknüpfen. Was heißt das genau und welche Maßnahmen sind dazu notwendig?

Die Verknüpfung der beiden Rheinseiten wird nicht so aussehen, dass wir einen Deckel darüber bauen. Tatsächlich gibt es eine starke Fokussierung der Diskussion auf das Rechtsrheinische, das ist emotional ungünstig. Im linksrheinischen Köln liegt nun mal die alte Stadt mit ihren Traditionen, und auch die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt.

Und deswegen ist es notwendig, dass wir für beide Rheinseiten etwas tun. Im Linksrheinischen liegen die Schwerpunkte meist auf ganz anderen Themen. Es gibt aber auch Gemeinsames, beispielsweise die Büroflächenentwicklung.

Ein aktuelles Thema ist die Höhenentwicklung der Bürogebäude. Wir müssen ein Hochhauskonzept für das Rechtsrheinische entwickeln und einen Höhenentwicklungsplan für das Linksrheinische. Das ist ein Teil der Verknüpfung. Außerdem muss das Karree zwischen der Hohenzollernbrücke und der Deutzer Brücke sowie den beiden Rheinufern aufgewertet werden, um auch das rechtsrheinische Ufer zu einem wichtigen Aufenthaltsort zu machen.

Ich stelle mir vor, dass zukünftig ein Sonntagsnachmittagsspaziergang am Groß St. Martin anfängt, über die Hohenzollernbrücke führt, dann weiter das Rheinufer auf der Deutzer Seite entlang, über die Deutzer Brücke wieder zurück und schließlich in der Altstadt endet. Es wäre meine Idealvorstellung, dass die Stadt von beiden Seiten des Flusses erlebt wird.

Wie entwickelt sich die Diskussion zu den geplanten Hochhäusern in Deutz?

Auf städtischer Seite ist diese Diskussion zu Ende. Zur Zeit läuft noch das Verfahren mit der UNESCO. Wir haben einen umfassenden Bericht mit einer guten Begründung abgegeben, von der UNESCO in einem Zwischenbescheid jedoch erfahren, dass wir uns mit der Bewertung voraussichtlich noch bis Ende des Jahres gedulden müssen. Ich erwarte keinerlei Schwierigkeiten mehr hinsichtlich des Weltkulturerbes Kölner Dom.

Ist es nicht auch notwendig, dass Deutz ein attraktiveres Umfeld bekommt – wir sprechen also nicht nur über Bürostandorte, sondern auch über ein lebendiges Stadtquartier?

Das ist genau das, was mit der rechtsrheinischen Entwicklung erwünscht ist. Hier soll nicht nur ein Hochhausstandort entwickelt werden, hier soll ein Stadtteil entstehen.

Der Workshop für das rechtsrheinische Köln hat deutlich gezeigt, dass bestimmte Stadtteile spezielle Qualitäten aufweisen, die weiter zu entwickeln sind, dabei aber ihre Identität als Stadtteile behalten sollen. Andererseits macht es Sinn, aufgelassene Nutzungen zu transformieren, wie beispielsweise das KHD-Gelände an der Deutz-Mülheimer Straße.

Hier besteht hohes Potenzial, um unter Aufrechterhaltung alter Bausubstanz neue Nutzungen zu schaffen – davon können beide Stadtteile, sowohl Deutz als auch Mülheim, profitieren.

Das Gleiche gilt für das Areal um den Deutzer Bahnhof: die Planungen sehen dort zur Zeit zwischen Constantin- und Opladener Straße die Errichtung eines ganz normalen Baublocks vor, als Ergänzung des Quartiers und zur städtebaulichen Fassung der geplanten Hochhäuser.

Dies sind gute Beispiele dafür, wie sich der Charakter von Stadtteilen erhalten lässt und zugleich ihre Qualitäten weiter entwickelt werden können.

Die rechte Rheinseite und besonders Deutz erlebt in den nächsten Jahren einen massiven Wandel. Welche städtebaulichen Projekte sind damit verbunden?

Dreh- und Angelpunkt ist die Entwicklung des Bahnhofs. Der Standortfaktor dieses Bereichs beinhaltet die größten Potenziale. Die kurze Verbindung sowohl nach Frankfurt wie nach Düsseldorf auf der rechten Rheinseite nutzt uns außerordentlich.

Zudem die Verknüpfung mit dem Fernverkehr und dem regionalen Verkehr sowie die sich daraus ergebende Entlastung des Hauptbahnhofs – das alles sind wichtige Kriterien. Hier wird es darauf ankommen, dieses Projekt erfolgreich zu Ende zu führen. Gebremst wird die Durchführung zur Zeit, weil die Deutsche Bahn ihre Investitionen zurückfahren musste.

Jedoch stehen wir hier in einem intensiven Dialog mit allen Beteiligten – auch dem Bund, um das Projekt trotzdem voranzutreiben.

Ein anderes wichtiges Thema ist der Umzug von RTL in die Rheinhallen. Die Voraussetzungen dafür werden jetzt mit der Verlagerung der Messe geschaffen, sodass RTL 2008 in die Rheinhallen einziehen kann. Zu den weiteren Projekten zählen ein Kongresszentrum – eventuell in Verbindung mit zusätzlichen Hotelkapazitäten –, dann die Verwaltungsbauten auf der südlichen Bahnhofsseite, der LVR-Turm und nicht zuletzt das Jahn-Hochhaus von Tenkhoff. Auch dieses Projekt ist auf einem guten Wege. Im Umfeld ist damit zu rechnen, dass sich um RTL herum noch viele andere Unternehmen ansiedeln werden. So sind auch in den Rheinhallen noch Flächen verfügbar, da RTL das Gebäude nicht vollständig belegen wird. Ich meine, eine der besten und schönsten Lagen der Stadt in einem außerordentlich interessanten Objekt. Wenn dann noch das RTL-Logo am Messeturm leuchtet, ist das auch für die Besucher der Stadt ein sichtbares Zeichen für die Qualität der Medienstadt Köln.

In Folge des RTL-Umzuges entdecken immer mehr Investoren die rechte Rheinseite bis nach Kalk hinein. Ist denn von Ihrer Seite auch das Interesse der Nutzer erkennbar, sich an diesen Standorten, in diesem neuen Quartier niederzulassen?

Das Interesse ist erkennbar, aber nicht übermäßig. Doch es steht außer Frage, dass der Standort gewonnen hat. MFI hat dort Zeichen gesetzt. Es ist für mich ganz erstaunlich, was in Kalk mittlerweile alles entstanden ist. Von Aurelis habe ich gehört, dass sie jetzt auf dem Gelände in unmittelbarer Nachbarschaft von MFI investieren wollen. Dies ist ebenfalls ein sehr gutes Zeichen.

Herr Lienig, ich denke in relativen langen Terms, das muss man in einer Stadt, die 2000 Jahre alt ist. Ich habe mich immer gegen die Diskussionen gestellt, die den Eindruck erweckt haben, übermorgen sei alles fertig. Wenn sich immer Kräne drehen, wenn eine Baustelle durch eine andere abgelöst wird, dann ist alles in Ordnung.

Stichwort Europäische Flugsicherheitsagentur EASA. Was gibt es hier Neues?

Ich meine zu wissen, dass die EASA wohl in den LVR-Turm einzieht. Das ist der bevorzugte Standort, der auch wegen der Erreichbarkeit über die Bahn gewählt wurde. Diese Ansiedelung einer so namhaften Institution ist natürlich ein wichtiger Impulsgeber und Imageträger. Und wir gehen davon aus, dass nicht nur 350 Arbeitsplätze bei der EASA entstehen, sondern dass sich hier auch eine Peripherie bildet, z. B. im Bereich Lobbying. Das käme dann der Stadt zugute. Außerdem wird durch die EASA in Köln natürlich auch die Internationalität der Stadt betont.

Was macht aus Ihrer Sicht den Standort Deutz so attraktiv als Büro- und Dienstleistungsstandort?

Die Erreichbarkeit ist ganz, ganz wichtig. In wenigen Minuten ist man am Flughafen Köln-Bonn und mit dem ICE in kürzester Zeit auch am Frankfurter Airport. Deutz ist aus allen Himmelsrichtungen mit Bahn und Auto gut zu erreichen. Hier gibt es Flächen und entsprechende Angebote – Sie können hier hoch bauen. Deutz bietet bereits viel an Attraktivität, aber es kann durchaus noch mehr werden. Und nicht zu vergessen die Nähe zum Fluss, das hat einfach ein besonderes Flair.

Noch mal zum Thema Erreichbarkeit. Welche Planungen gibt es, um dem steigenden Individualverkehr Rechnung zu tragen, wenn demnächst täglich mehrere tausend Menschen nach Deutz zur Arbeit fahren und parallel auch noch der Messebetrieb läuft? Wie sieht es mit Parkplätzen aus?

Wir haben innerstädtische Verkehrsprobleme, aber mir ist keine Stadt dieser Größenordnung bekannt, die das nicht hat. Es ist vorgesehen, die Mehrzahl der Betroffenen auf die Bahn zu bringen.

Bei unserem sehr gut ausgebauten Stadtbahnsystem und den sehr guten Regionalbahnen macht das Sinn. Über die Deutzer Brücke fährt praktisch jede Minute ein Zug, und Sie haben alle fünf Minuten ein Angebot, um mit der S-Bahn auf die andere Rheinseite zu kommen.

Mit den Parkplatzkapazitäten gibt es keine Probleme – wir haben an der Arena sehr große Kapazitäten, und für die neuen Büroräume werden entsprechende Stellplätze gebaut werden. Im Übrigen halten wir uns die Option einer noch kürzeren Anbindung des gesamten Areals an das überörtliche Verkehrsnetz offen, sprich den Autobahnzubringer an der Zoobrücke.

Wie sehen Sie die Bedeutung des Masterplans 2006 der Koelnmesse für den Büro- und Dienstleistungsstandort? Was passiert auf den der Messe gegenüberliegenden industriellen Brachflächen?

Genauso wie RTL ist die Koelnmesse ein wichtiger Impulsgeber. Ich weiß von einigen Bauherren, dass sie gerade in der Neuorganisation der Messe auch eine Chance für das nähere Umfeld sehen.

So erwarten wir in Kürze einen Bauantrag von AM Development (früher MDC). Das wird ein schöner Bau, der auch städtebaulich einen guten Beitrag leistet und sich in seiner Außendarstellung auf die Nähe zur Messe bezieht.

Deutz und die rechte Seite waren lange Zeit nur ein Anhängsel der Kölner City. Ist es durch die geschilderten Entwicklungen bald vorbei mit dem Image der Scheel Sick?

So ein Image hält sich etwas länger. Jemand wie ich, der von außen kommt, sieht das nicht so. Man kann natürlich erkennen, dass die linksrheinische Stadt die traditionelle Stadt ist, die eben über Jahrhunderte und Jahrtausende gewachsen ist und sich entwickelt hat, die von einer großen Kompaktheit und mit einem fast idealen Stadtgrundriss versehen ist. Die rechte Rheinseite ist eher inselartig, sodass die Dinge sich hier standortbezogen entwickelt haben.

Ich möchte, dass die gesamte Stadt attraktiv ist und dass wir viele Menschen auf diesem Weg mitnehmen. Einige dieser Entwicklungen im Rechtsrheinischen werden von den Menschen auch kritisch gesehen. Deshalb ist es wichtig, bei allen Projekten viel zu kommunizieren, offen zu legen und transparent zu machen.

Mein Anliegen ist es, beide Stadtteile stärker zu vernetzen und zu einer Einheit werden zu lassen – und dies mit interessanten, neuen Objekten. Das ist eine sehr schöne Aufgabe.

Das Interview führte Andreas P. Lienig
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