Der Gewerbemietvertrag (07/2004, Düsseldorf und Köln)

Mark Rubinstein und Albrecht Stahl

Von Mark Rubinstein und Albrecht Stahl, Rechtsanwälte

A) RECHTSFOLGEN BEI MIETFLÄCHENABWEICHUNGEN

1. EINFÜHRUNG

In der Praxis kommt es sehr oft vor, dass die tatsächliche Mietfläche von der im Vertrag angegebenen Fläche abweicht. Ist dies der Fall, stellt sich sowohl für den Vermieter als auch insbesondere für den Mieter die Frage, ob und welche Konsequenzen sich nun aus einer solchen Abweichung ergeben. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf den in der Praxis am häufigsten zu Problemen führenden Ausgangsfall.

Im Mietvertrag ist ein Gesamtmietzins (Nettokaltmietzins zuzüglich Nebenkostenvorschuss) vereinbart, die Mietfläche ist in m2 ohne näheren Zusatz angegeben. Erst nach Beginn des Mietverhältnisses und nach Bezug des Objekts durch den Mieter stellt sich heraus, dass die tatsächliche Fläche von der ursprünglich vereinbarten Fläche abweicht. Hierdurch können sich unterschiedliche Auswirkungen für Mieter und Vermieter ergeben.

2. WIE ERRECHNET SICH DIE „RICHTIGE“ MIETFLÄCHE?

Es stellt sich zunächst die Frage, welche Berechnungsmethode für die Mietfläche anzuwenden ist. Im Falle der Vermietung von Geschäftsräumen ist im Zweifel nicht die Wohn-, sondern die Nutzfläche maßgeblich. Der Mieter von Geschäftsräumen wird demzufolge also die Berechnung nach Wohnflächen nicht erwarten dürfen (§§ 131, 157 BGB). Sofern der Mieter bei Abschluss des Mietvertrags die Methode der Flächenberechnung nicht hinterfragt und die Art der Berechnung in dem Mietvertrag nicht ausdrücklich vereinbart wird, muss er es hinnehmen, dass der Vermieter ihm die Mietfläche durch eine zulässige und mögliche Berechnung nachweist (vgl. KG, Urteil vom 22. 10. 2001, Geschäftsnummer 20 U 3713/00). In der Regel ist das folglich, aber nicht zwingend, die Brutto-Grundfläche (BGF).

Es bleibt für den Vermieter aber auch die Möglichkeit, im Rahmen der genannten Einschränkungen eine andere Berechnungsmethode anzuwenden.

3. DIE AUSWIRKUNGEN DER FLÄCHENABWEICHUNGEN

3.1 Die Nebenkosten errechnen sich aus der tatsächlichen Mietfläche

In Bezug auf Betriebskostenabrechnungen sind Flächenabweichungen immer erheblich. Der Vermieter darf nur die nach den erwähnten Kriterien tatsächlich vorhandene Mietfläche als Abrechnungsmaßstab zugrunde legen. Ist die tatsächliche Mietfläche geringer als die vertraglich vereinbarte, so ist der Vermieter auf diese geringere Fläche bei seiner Abrechnung beschränkt. Anders kann es sich jedoch verhalten, soweit es die Zahlung des Nettomietzinses betrifft.

3.2 Der Mietzins ist nicht zwingend abhängig von der Mietfläche

Es ist mittlerweile anerkannt, dass die bloße Angabe von Flächen im Rahmen der Beschreibung des Mietobjekte keine Zusicherung im Sinne von § 536 Abs. 2 BGB n. F. darstellt.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Vermieter bereits durch die Objektbeschreibung eine weiter gehende Haltung begründen und auch vertragsmäßig bindend erklären will, die Gewähr für das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften zu übernehmen und für alle Folgen ihres Fehlens eintreten zu wollen (vergleiche BGH NJW 2000, 1714 ff.).

Hieraus folgt, dass eine Flächenangabe im Mietvertrag dann eine stillschweigende Zusicherung darstellt, wenn sie durch eine entsprechende Angabe im Rahmen der Mietzinsvereinbarung als Kalkulationsgrundlage für die Miethöhe vereinbart ist (vgl. ZB KG GE 1992, 871).

In einem solchen Fall ist der zu zahlende Mietzins abhängig von der tatsächlichen Mietfläche. Sowohl Mieter als auch Vermieter müssen eine entsprechende Anpassung vornehmen. Anderenfalls kommt es häufig zum Streit, ob der Mietzins angepasst werden muss.

3.3 Welche Flächenabweichung ist zu tolerieren?

Insbesondere Mieter haben an einer Herabsetzung des Mietpreises naturgemäß ein starkes Interesse. Ein solcher Anspruch des Mieters könnte aus dem Fehlerbegriff abzuleiten sein. Ein Fehler liegt immer dann vor, wenn die tatsächliche Sache (hier die Mietfläche) von der vertraglichen abweicht und die Abweichung nicht unerheblich ist, also wenn der Ist-Zustand vom Soll-Zustand erheblich abweicht.

Aber auch ein Fehler des Mietgegenstandes im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB neuer Fassung muss nicht zwingend vorliegen.

Das heißt: Es gibt Tendenzen der Rechtsprechung, Flächenabweichungen nicht nur als zusicherungsfähige Eigenschaft, sondern zugleich nach der Verkehrsanschauung als Fehler zu verstehen und bei einer erheblichen Abweichung einen Mangel anzunehmen (vgl. OLG Köln NZM 1000, 72), wie es dem gewandelten Verständnis zum Fehlerbegriff entspricht.

Rechtsfolgen durch das Vorliegen eines solchen Fehlers können grundsätzlich jedoch nur dann entstehen, wenn dieser Fehler erheblich ist. Die Grenze zur Erheblichkeit wird mit Rücksicht auf vergleichbare Rechtsprechung zum Kauf- und Werkvertragsrecht unabhängig von den Zuständen des Einzelfalls bei etwa 10 % zu ziehen sein (vgl. KG GE 2000, 257).

Liegt ein solcher Fall der erheblichen Abweichung vor, so kann der Mieter vom Moment der Kenntnis des Fehlers an durchaus eine entsprechende Anpassung des Mietzinses vom Vermieter verlangen.

3.4 Kann der Vermieter nachträglich den Mietzins erhöhen?

Weicht die tatsächliche Mietfläche im umgekehrten Fall erheblich nach oben von der vereinbarten Fläche ab, so hat der Vermieter keinen Anspruch auf entsprechende Erhöhung des Mietzinses. Der Vermieter muss sich insofern bindend an eine eigne Angabe der Mietfläche mit Mietvertrag halten, sofern keine ausdrückliche anders lautende Regelung im Vertrag vereinbart ist.

Eine rückwirkende Reduzierung des Nettomietzinses kommt in der Regel für den Mieter nicht in Betracht. Etwas anderes gilt nur, wenn er den Nachweis erbringen kann, dass der Vermieter ihn bei Abschluss des Mietvertrages über die tatsächliche Mietfläche arglistig getäuscht hat.

Auch wird man in der Regel davon ausgehen können, dass beiden Mietvertragsparteien kein Sonderkündigungsrecht zusteht, sondern das Mietverhältnis mit den genannten Änderungen fortzusetzen ist.

B) ENTSCHEIDUNG DES BHG MIT WEIT REICHENDEN FOLGEN

Ein relativ aktuelles Beispiel aus der Rechtsprechung mit einer „Erbengemeinschaft“ als Vermieter zeigt mögliche Folgen von Formfehlern auf: Der XII. Zivilsenat hat sich in einer am 11. September 2002 verkündigten Entscheidung zu diversen Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer Erbengemeinschaft als Vermieter beschäftigt (XIII. 187/00).

1. EIN MIETVERTRAG MIT FORMFEHLERN UND DIE ÜBERRASCHENDEN FOLGEN

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte mietete durch schriftlichen Mietvertrag vom 3. Juni 1991 Gewerberäume an. In dem Vertragsformular war als Vermieter die „Erbengemeinschaft XY, vertreten durch S. K.“ aufgeführt, der Vertrag war von S. K. vermieterseits unterzeichnet worden.

Das Mietverhältnis war bis zum 31. Mai 1993 befristet mit einer Verlängerungsoption von dreimal um 5 Jahre. Der Beklagte hatte die Räume untervermietet und die Verlängerungsoption(en) ausgeübt.

Die Erbengemeinschaft kündigte das Mietverhältnis unter dem 13. März 1992 erstmals mit der Begründung, der Beklagte habe die Mietvertragsurkunde abredewidrig verändert.

In der Folgezeit wurde das Grundstück an einen Kaufmann veräußert, der es im Mai 1997 an die Klägerin verkaufte. Dieser wurden durch gesonderte Vereinbarung sämtliche Rechte und Pflichten aus den bestehenden Mietverhältnissen abgetreten und die Vollmacht erteilt, im eigenen Namen und für eigene Rechnung alle Rechte aus den Mietverhältnissen einschließlich Kündigungen außergerichtlich und gerichtlich wahrzunehmen.

Die Klägerin kündigte unter dem 16. Dezember 1997 das Mietverhältnis mit Bezug auf die Vollmacht und die Abtretung fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 30. Juni 1998. Am 1. Februar 1999 wurde die Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Das Landgericht Potsdam und das OLG Brandenburg hatten die Räumungsklage abgewiesen, die Revision hatte Erfolg, der BGH verurteilte den Mieter zur Räumung.

2. EINE ERBENGEMEINSCHAFT IST KEINE RECHTSPERSÖNLICHKEIT

Vorinstanzen und BGH gingen übereinstimmend davon aus, dass eine Erbengemeinschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und deshalb der Mietvertrag im konkreten Falle mit den Mitgliedern der Ergebengemeinschaft zustande gekommen sei.

Unschädlich sei ferner, dass die Mitglieder der Erbengemeinschaft nicht einzeln benannt worden sein, denn diese könnten mit wenig Aufwand (z.B. durch Nachfrage bei dem Nachlassgericht) ermittelt werden.

Ungeachtet dessen war jedoch die ordentliche Kündigung vom 16. Dezember 1997 zum 30. Juni 1998 wirksam.

Begründung: Das Mietverhältnis war nach § 566 Satz 2 BGB alter Fassung ordentlich kündbar, da der Mietvertrag nicht dem Schriftformerfordernis des § 566 BGB alter Fassung entsprach.

Diese Schriftform verlangt die genaue Bezeichnung der Personen, wenn auf einer Vertragsseite eine Personenmehrheit beteiligt ist.

Zwar könnten auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände zur Auslegung herangezogen werden, hierfür müssten jedoch auch Anhaltspunkte in der Urkunde vorhanden sein, die eine Bestimmbarkeit der Vertragsparteien zulassen.

Im konkreten Fall sei jedoch zweifelhaft, ob mit der „Erbengemeinschaft XY“ die Erben nach einem Erblasser XY oder Erben mit dem Namen XY gemeint seien.

Für den Kläger als Erwerber des Mietobjektes sei deshalb aus der Vertragsurkunde (allein) nicht zu ersehen, wer der Erblasser und damit der frühere Grundstückseigentümer ist.

Damit sei das Schriftformerfordernis verletzt und der Vertrag ordentlich ohne Ansehung der in der Urkunde vereinbarten Laufzeiten kündbar, d. h. im vorliegenden Fall mit der neuen gesetzlichen Kündigungsfrist von sechs Monaten


3. DIE KONSEQUENZ AUS DIESEM URTEIL:

Das Schriftformerfordernis des § 566 BGB (alte Fassung) ist nicht gewahrt. Solche Mietverhältnisse sind deshalb grundsätzlich unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist kündbar.

Das Urteil eröffnet beiden Parteien eine vorzeitige Lösungsmöglichkeit aus befristeten Mietverträgen. Interessant ist dies für den Mieter in Fällen wirtschaftlicher Not und für den Fall, dass größere Mietflächen benötigt werden, aber aus Platzgründen eine Erweiterung innerhalb des Objektes ausscheidet.

Für den Vermietet bietet sich ein solches Vorgehen bei Eigenbedarf an oder für den Fall, dass ein anderer Mieter zur Verfügung steht, der eine höhere Miete zu zahlen bereit und im Stande ist.

4. PRAXISTIPP:

Die Parteien des Vertragsverhältnisses sollten im Falle von Erben- oder Bruchteilsgemeinschaften (Miteigentümer) so genau wie möglich bezeichnet werden.

Hierzu gehört die Nennung von Vor- und Nachnamen sowie die jeweilige ladungsfähige Anschrift sämtlicher Miteigentümer bzw. sämtlicher Mitmieter.

Findet keine Vertretung statt, müssen alle Beteiligten den Vertrag unterzeichnen.

Im Fall der Stellvertretung muss die Vertreterstellung eindeutig durch einen entsprechenden Zusatz zum Ausdruck kommen.
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