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03.05.2024 Modulares Bauen in Deutschland noch immer vor der Serienreife

Community Campus Bochum. Copyright: DAIWA HOUSE MODULAR EUROPE
Der Wohnungsbau in Deutschland muss schneller werden. Im November 2023 haben sich Bund und Länder deshalb auf einen „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ geeinigt, den sogenannten Beschleunigungspakt. Eines seiner Hauptziele: Die Länder sollen harmonisierte Typengenehmigungen in die jeweiligen Landesbauordnungen aufnehmen, um die Genehmigungsprozesse örtlicher Bauvorhaben zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Die Umsetzung des Beschleunigungspaktes könnte auch den Durchbruch für das modulare Bauen bedeuten. Denn Gebäude mit hohem Vorfertigungsgrad müssten dann nicht mehr an 16 verschiedene Landesbauordnungen angepasst werden und eine industrielle Produktion von Typenbauten wäre möglich. Über den aktuellen Stand von Regulierung und Praxis informierten George Salden, CEO der Capital Bay Group; Andreas Göbel, Head of Acquisition bei Daiwa House Modular Europe und Kassem Taher Saleh, MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen und Obmann im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen bei einer gestrigen Presseveranstaltung.

Kassem Taher Saleh ist Bauingenieur und berichtet aus der Praxis des Bauens und der Gesetzgebung: „Als Bauleiter habe ich hautnah erlebt, wie durch unterschiedliche Bauvorschriften in den Bundesländern Fortschritt ausgebremst wurde. Mit der Angleichung der Landesbauordnungen feiert das serienmäßige Bauen endlich Richtfest. Aus eigener Erfahrung, selbst zwischen Plattenbauten in Ostdeutschland aufgewachsen, kann ich sagen: Serielles Bauen von heute ist nicht verstaubt, sondern ästhetisch, ökologisch und kostengünstig.“

Entsprechend sieht sich auch George Salden als entscheidendes Element für die Beschleunigung des Wohnungsbaus in Deutschland. „Um schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, benötigen wir den industriellen Typenbau“, sagt George Salden. „Genehmigungstechnisch befinden wir uns in Deutschland momentan jedoch genau auf dem entgegengesetzten Ende des zu beschreitenden Weges. Modulbauten gelten als Sonderbauten und durchlaufen einen noch komplexeren Genehmigungsprozess, als er ohnehin schon für Deutschland üblich ist. Das ist, als müsste ein Auto in jeder Stadt, die es durchfahren sollen darf, extra zugelassen werden.“

Modulbauten können laut Salden rund 50 Prozent schneller und 20 Prozent günstiger errichtet werden als traditionelle Gebäude. Zudem würden sie „mit Festpreisgarantie“ gebaut, was den Modulbau auch für Investoren attraktiv mache. Wichtig sei jedoch, dass man in Deutschland wegkäme von dem Denken in Quadratmeter-Mietpreisen, so wie es in vielen anderen Ländern bereits der Fall sei. Stattdessen müssten wir den „All-In“-Gedanken kultivieren und uns davon lösen, dass der Wohnraum an der Haustür aufhöre:

„Wir müssen Häuser und Wohnungen neu denken. Die Frage ist: Brauchen die Menschen ein Wohnzimmer, wenn sie großzügige Gemeinschaftsflächen haben? Brauchen sie eine Waschmaschine, wenn es im Haus einen Waschraum für die Wäsche gibt? Brauchen sie Stellfläche für den Hometrainer, wenn das Gym nur ein paar Stockwerke entfernt ist? Ein Arbeitszimmer, wenn es Co-Working-Flächen gibt? Vieles, von dem was wir heute bauen, ist nicht wirklich funktional und schon gar nicht effektiv und das sollten wir jetzt ändern“, erklärt Salden und fügt hinzu: „Wir denken unsere Wohnungen funktional, so ähnlich wie ein Schweizer Taschenmesser. Eine Familienwohnung lässt sich damit auf 65 Quadratmetern realisieren, ein Single-Apartment auf 20 bis 25 Quadratmetern.“

Ein weiterer Vorteil des modularen Bauens: Es macht „Immobilen“ zu etwas „Mobilem“: „Das Modulare Bauen bietet die Chance, das Wohnungsangebot den Anforderungen des wirtschaftlichen und demografischen Wandels anzupassen. Modular errichtete Wohnungen sind mobiler als Häuser, die auf der Baustelle zusammengesetzt werden.“ Das habe auch erhebliche Vorteile für den Industriestandort Deutschland: „Wird eine Fabrik neu gegründet, können Modulbauten schneller am Standort errichtet werden. Werden Werke geschlossen, können die Wohnungen abgestapelt und bei Bedarf anderswo wieder aufgebaut werden. Man kann sagen, modulare Wohnungen lösen den Widerspruch auf, in dem unsere immobilen Häuser zum dynamischen Leben und zur modernen Produktionsweise stehen“, so Salden.

Der Modulbau ist zudem deutlich umweltschonender als der traditionelle Bau, wie das japanisch-niederländische Unternehmen Daiwa House zeigt. Das Unternehmen ist laut eigener Aussage der siebtgrößte Baukonzern weltweit und der größte Anbieter modularer Wohngebäude.

Daiwa Haus denkt im Kreislauf und revolutioniert die Baubranche. „Wir nehmen ganze Wohngebäude nach vielen Jahrzehnten zurück, um daraus wieder Neues zu bauen. Cradle to Cradle auf der Schulter des Herstellers“, sagt Andreas Göbel, Head of Acquisition bei Daiwa House Modular Europe. Auch die Fertigung selbst sei vergleichsweise klimaschonend: „Wir bauen schon jetzt mit 50 Prozent weniger CO2-Emmision als bei konventionellen Bauen.“ Das standardisierte Bauen in der Fabrik mache das möglich.

Derzeit stellt Daiwa House östlich von Berlin seine neue Fabrik für Module auf aktiv. In den Hallen sollen schon bald 2.500 ganze Räume oder Raumteil pro Jahr entstehen. Nach Unternehmensangaben soll die Kapazität dann sukzessive auf 15.000 bis 20.000 Stück steigen. Das Unternehmen hat bereits einen Großauftrag für ein ganzes Quartier der landeseigenen Gewobag in Berlin übernommen: Im Berliner Bezirk Lichtenberg sollen aus 3.000 Modulen mehr als 1.500 Wohnungen entstehen. Weitere Wohngebäude sind geplant in Düsseldorf, Magdeburg und Dortmund. Besonders hoch hinaus solle es in Hamburg gehen. Dort plant Daiwa House ein Hotel mit 19 Stockwerken. In Bochum hat Daiwa House mit dem „Community Campus“ schon Europas höchstes Gebäude in modularer Bauweise errichtet: zwölf Geschosse hat das Gebäude mit 737 Apartments.



























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